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Trapez

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Titel: Trapez Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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bewegte sich unsicher durch die Menge, den schweren Koffer in der Hand, und sah in fremde Gesichter. Er war an eine andere Art Leute gewöhnt. Die laute, bunt zusammengewürfelte Menschenmenge im Zirkus. Diese Großstadtmenschen machten ihm ein wenig Angst. In der spiegelnden Oberfläche einer Glastür erblickte er sich selbst – verzerrt durch die Entfernung, einen kleinen dünnen Jungen mit rotem Wuschelkopf, fast schlampig, unordentlich, und es schien ihm in seinem Zustand von Müdigkeit und Verwirrung, dass das reflektierte Gesicht ängstlich aussah.
    »Tommy, hier!« Ohne Begrüßung kam Mario, nahm Tommys Koffer und ging auf die Tür zu. »Mein Auto ist vorne. Hast du lange gewartet? Ich musste einen Parkplatz finden.«
    »Nein, nur ein, zwei Minuten.«
    »Du siehst schrecklich müde aus. Verdammt lange Strecke mit dem Bus. Wieso hat dein Vater dich nicht mit dem Zug geschickt?«
    »Die Züge sind zu voll. Egal, er konnte keine – wie heißt das noch gleich – Dringlichkeitskarte bekommen.«
    »Schon gefrühstückt?«
    »Vor ein paar Stunden hatten wir einen Frühstückshalt, aber mir war nicht nach essen.«
    »Dann halten wir irgendwo, bevor wir zum Haus kommen. Neujahr ist es ein Irrenhaus, deshalb wird vor dem späten Nachmittag nichts zu essen da sein – das war immer so. Lucia – das ist meine Mutter – wollte mitkommen und dich begrüßen , aber sie hat tausend Sachen zu erledigen. Außerdem kennt ihr euch nicht, und ich musste hier sowieso auf dem Weg zum Haus vorbeikommen. Ich war seit ein paar Wochen nicht draußen bei ihnen, aber ich habe gestern Abend angerufen, und sie haben mir gesagt, dass du mit diesem Bus kommst, also habe ich gesagt, ich hol’ dich ab. Hier, der Koffer kommt nach hinten.«
    Er verstaute Tommys Koffer auf dem Rücksitz eines verbeulten blauen Chryslers, der ungefähr zehn Jahre alt war. Das Fensterglas war auf einer Seite gesprungen, das Vordersitzpolster war durchlöchert, aber über den schlimmsten Stellen lag eine karierte Wolldecke. Mario öffnete die Fahrertür.
    »Rutsch unter dem Lenkrad durch, die andere Tür geht nicht auf. Der Griff ist kaputt.« Er stieg hinter Tommy ein und knallte die Tür zu.
    Tommy sagte, hauptsächlich, um irgendetwas zu sagen: »Ich wusste nicht, dass du fahren kannst.«
    » Muss man ja hier draußen . Alles liegt so weit auseinander, und die Busse fahren nur alle drei Tage oder so.
    Ich fahre nicht viel auf der Straße ; Angelo mag es nicht.
    Er sagt, ich fahre wie e in irrer Selbstmörder. Ich hab’ diese Kiste letzten Herbst ganz billig gekriegt. Nur, um irgendetwas zu haben, um zur Arbeit zu kommen.« Er hielt an einem niedrigen Bordstein an. »So, jetzt wollen wir erst einmal frühstücken. Ich hab’ auch noch nichts gegessen.«
    Er ging mit leichten Schritten den Fußweg entlang und führte Tommy in das enge, dampfende I nnere einer Früh stücksbar. Sie setzten sich in eine Nische mit gesteppten Ledersitzen.
    »Wie geht’s Papa Tony?« erkundigte sich Tommy höflich.
    »So wie immer: Status quo. Die Völker zittern, wenn er den Kopf erhebt oder wie das heißt . Ich war seit ein paar Wochen nicht draußen beim Haus, aber ich hätte gehört, wenn irgendjemand krank wäre.«
    »Du lebst nicht bei der Familie?« Tommy war seltsam enttäuscht.
    »Na ja, ja und nein«, s agte Mario langsam. »Das ist so ‘ne Art Familientradition. Vom Ende der Tour bis Neujahr geht jeder wohin er will, macht was er will oder sich leisten kann. Angelo ist unten in Mexiko mit irgendeinem Zirkus. Ich hab’ dir über meinen Job in der Ballettschule geschrieben.« Er brach ab, als ein dünner, dunkler Junge in einem hellen Jackett zwei dicke weiße Becher Kaffee auf die Tischfläche stellte. »Danke, Ronny, bring uns noch ein paar Eier und ein paar von den Würstchen, ja?
    Magst du das, Tom?«
    »Klar, ist mir gleich!«
    Ronny kritzelte auf einem Bestellblock. »Kommt sofort! Heute früh draußen , was, Matt?«
    » Muss das neue Jahr richtig anfangen«, sagte Mario mit seinem teuflischsten Grinsen. »War Keno heute Morgen schon da?«
    »Er hat nur einen Kaffee getrunken und ist wieder rausgerannt«, sagte der Junge.
    Ronny ging wieder in die Küche, und Mario nahm sich einen Becher Kaffee. »Zucker, Sahne? Trink, du siehst halb erfroren aus.«
    »Ich dachte, Kalifornien ist warm.«
    »Na ja, schon, verglichen mit Chicago oder so. Aber die Nächte sind kalt. Na ja, wie ich dir gesagt habe, ist es eine Familientradition, dass um Neujahr herum jeder, der in

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