Trapez
erkennen, Matt. Du siehst großartig aus!«
Mario zog eine Augenbraue hoch, und ganz plötzlich konnte Tommy den echten Mario unter der Schminke erkennen. »› Großartig ‹ würde ich nicht gerade sagen, Jim, aber wie du meinst. Wann brauchen sie uns?«
»In ein paar Minuten. Jetzt machen sie gerade einige Aufnahmen von Reeder mit dem Publikum – sie haben eine Menge Komparsen herbeigeschafft. Alle in Kostü men aus den zwanziger Jahren.« Er zeigte auf die Zuschauersitze im Chapiteau. Es war zu einem Zirkus aus jener Zeit umgebaut worden. Sogar die Zuschauer waren in ein Publikum von damals verwandelt worden. Sie warteten außerhalb der Absperrung, die jeden aufhielten, der gerade nichts in der improvisierten Szenerie zu tun hatte.
In der Hauptmanege winkte ein blonder Mann in einem weiß -silbernen Fliegerkostüm dem Publikum zu, während Aufnahmehelfer enorme Scheinwerfertürme herbeischleppten, sie aufstellten, sie verrückten und neu aufstellten.
Bart Reeder sagte hinter ihnen: »Es ist wie eine Reise in die Vergangenheit.«
Tommy drehte sich um und zwinkerte: »Ich dachte, du wärst das, da unten in der Hauptmanege…«
»Nein, nein. Das ist Willy – mein Licht-Double. Heute sind drei von uns wie Parrish zurechtgemacht«, sagte Bart lachend. Er trug das genaue Pendant zu Marios Kostüm. Sein hellbraunes Haar war blond gebleicht worden, und sein schlanker, muskulöser Körper kam in dem silbernen Kostüm sehr gut zur Geltung. Zum ersten Mal bemerkte Tommy Reeders enorme Ausstrahlung. Nicht Bart, sein Freund, sondern Bart Reeder, der Star dieses Films.
Reeder sagte leise zu Mario: »Du siehst wunderbar aus, Matt. Wenn ich irgendwelche narzi ss tischen Neigungen hätte – mein eigenes Ebenbild zu lieben ist eine amüsante Idee.«
Mario sagte mit leiser Stimme: »Als ich klein war, war ich schrecklich in Barney Parrish verknallt. Ich konnte meine Augen nicht von ihm lassen. Du siehst eigentlich nicht sehr wie er aus – du siehst wahrscheinlich besser aus als er. Aber irgendwie erinnerst du mich in dem Aufzug an ihn. Vielleicht bewegst du dich wie er oder so was. Wenn ich dich ansehe, sehe ich, wie Barney auf mich zukommt.«
Bart sagte: »Ich bewege mich so, wie du es mir beigebracht hast, Junge. Vielleicht hast du es von ihm. Die Dinge, die uns wirklich viel bedeutet haben, als wir Kinder waren…« Plötzlich verschwand der sanfte, intime Ton aus seiner Stimme, als ob er nie dagewesen wäre, und er sagte laut: »Gott sei Dank ist Willy da unten. Zehn Minuten bei dem Licht, und ich schwitze wie ein Affe.«
Und Tommy sah, wie Mason, der Regisseur, sich ihnen näherte.
»Fertig, Bart? Ich möchte dich noch einmal in der Dekoration für ein paar Aufnahmen haben. Dann wärst du fertig für heute.«
Mario folgte Bart mit großen Augen und sagte: »Ich fühle mich so verdammt anmaßend , wenn ich Parrishs Kostüm trage, seine Tricks mache.«
»Das eine Mal, als er dich gesehen hat, dachte er, du wärst wunderbar. Wenn er irgendwo ist, wo er es erfahren könnte, glaube ich, er wäre stolz auf dich. Sieh es doch mal so: Du zeigst den Leuten, wie er war. Leute, die nie Gelegenheit hatten, ihn zu sehen.«
Ein junges Mädchen mit einem Notizblock kam auf sie zu.
»In der Dekoration für den Trapezakt bereithalten!«
Als sie auf den Eingang zugingen, hörte Tommy, wie Mason die Menge über ein Lautsprechersystem ermahnte.
»Also, Leute, benehmt euch ganz natürlich, tut das, was ihr in einem Zirkus tut – applaudiert, redet, bewegt euch…«
Aber Tommy hatte nicht das Gefühl, dass es ein normales Zirkuspublikum war. Und das war es natürlich auch nicht. Es war eine Gruppe von Hollywood-Komparsen, die ihr Geld verdienten, außer einer Gruppe Kinder in Rollstühlen ganz vorn – die wahrscheinlich für diesen Tag aus einem Waisenhaus oder einer Behindertenschule freibekommen hatten, um sie zu belohnen und ein paar normal reagierende Kinder für das Publikum bereitzuhalten. Wahrscheinlich hatte nicht mehr als die Hälfte des Publikums je einen richtigen Zirkus live gesehen, sogar der Applaus hatte einen leicht fremden Klang. Tommy fühlte, wie das ungewohnte Kostüm ihn an unerwarteten Stellen zwickte, und er konnte nicht einmal daran ziehen, weil die Kameralinse auf ihn gerichtet sein könnte. Mit einem seltsam gleichgültigen Gefühl begann er das Seil hinaufzuklettern. Er fühlte sich leicht durcheinander und irgendwie fehl am Platz. Der Anblick der Flieger auf der Plattform in den ungewohnten,
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