Trapez
Anflug der alten Zuneigung und Bewunderung.
»Clay«, sagte Angelo. »Geh rauf und zeig ihm, wie man euch in dieser Familie das Fallen beibringt.«
Clay kletterte die Leiter hinauf, nahm die Trapezstange in seine Hände und schwang sich heraus und aufwärts.
Am höchsten Punkt seines Schwunges machte er einen Salto hinunter ins Netz und landete sauber auf seinem Rücken. Er sprang auf seine Füße , und Angelo sagte: »Hübsch – du lernst schnell.« Dann ließ er die anderen Jungen herunterkommen. Als Tommy zu ihnen kam, erklärte er ihnen die Kunst des Fallens.
»Man landet auf dem Rücken, wenn es nur irgend geht.
Wenn nicht, rollt ihr euch zu einem Ball zusammen und zieht euren Kopf ganz zwischen eure Schultern, wie eine Schildkröte, die sich in ihren Panzer verkriecht, so…« Er neigte seinen Kopf, um es ihnen zu zeigen. »Auf diese Weise kommt die meiste Wucht hierher.« Er schlug Bobby zwischen die Schultern.
»Darf man wie beim Turnen den Kopf nie mit Gewicht belasten?«
»Der Hinterkopf kann belastet werden«, sagte Angelo.
»Die Hauptsache ist, niemals auf der Vorderseite des Kopfes zu landen. Das Genick ist die schwächste Stelle im ganzen Rückgrat.« Er leg te eine Hand auf das Kinn des Jungen und drückte mit der anderen auf seine Stirn.
»Wenn du im Netz auf dem Gesicht oder auf deiner Stirn landest, dann bricht dein Genick wie ein Zahnstocher.«
Er zögerte und fügte hinzu: »Falls du jemals feststellen solltest, dass du mit dem Gesicht zuerst aufkommst, fang deinen Sturz mit deinen Händen ab. So brichst du dir diene Handgelenke, aber besser die Handgelenke als das Genick. Das sollte eigentlich nicht nötig sein, aber wenn es mal nötig ist, mu ss t du wissen, wie es geht.«
Mario war zur Tür gekommen. Verblüfft stand er da und hatte Angelos Rede zugehört. »So hab’ ich mir mein Handgelenk gebrochen, das erste Mal , aber Angelo hat recht – anderenfalls wäre es mein Genick gewesen. Danke, Angelo. Na, ist hier alles mit quietschenden Bremsen zum Stehen gekommen? Wieso seid ihr alle unten?«
»Vortrag übers Fallen«, sagte Angelo. »Ich hoffe, es stört dich nicht.«
Mario lachte und schüttelte den Kopf. »Nein, gut die Hälfte eurer Flugübungen sind Fallübungen. Ihr solltet das wissen. Ihr habt mir oft genug dabei zugesehen. Das wär’s jedenfalls für heute, Jungs, und morgen und übermorgen fällt es aus. Tom und ich müssen in Anaheim sein.« Als die Jungen gegangen waren, um sich umzuziehen, fügte er hinzu: »Das war Mason am Telefon. Er will, dass wir morgen um sechs für die Maske da sind.«
»Und sie wollen Flugsequenzen für den Film? Was mu ss t du machen? Den D reifachen natürlich. Was noch?« fragte Angelo.
»Hast du uns am Doppelten mit Pirouette arbeiten sehen?«
»Der ist mörderisch. Ich glaube nicht, dass ihn jemand geschafft hat, seit Barney gestürzt ist«, sagte Angelo.
»Joe wollte es mache n, aber Papa Tony hat ihn nicht gelassen. Ich würde es ungern sehen, wenn du es versuchst, Junge.«
Mario sagte trocken: »Ich hab’ nicht gewu ss t, dass es dir was ausmacht.«
»Verdammt, ragazzo«, explodierte Angelo. »Glaubst du, ich will, dass du dir dein Genick brichst?« Er machte eine Bewegung auf Mario zu, als ob er ihn berühren wollte, versteifte sich dann aber und zog seine Hand zurück.
»Es gibt keinen Film auf der Welt, der das wert ist, Junge. Lucia hat genug Sorgen, ohne dass du dich auch noch umbringst.« Er drehte sich um und ging ohne ein weiteres Wort aus dem Übungsraum.
Die Maskenbildner hatten einen Wohnwagen auf dem Gelände des Winterquartiers von Starr aufgebaut. Nach einer langen Sitzung kamen Mario und Stella heraus, ihr Haar war so rot gefärbt wie Tommys, und Marios war zu einer ungleichmäßigen Sandfarbe gebleicht worden.
Tommy fühlte sich eigenartig und plump in dem altmodischen Kostüm, und schließlich erkannte er, woran es ihn erinnerte: An das alte Bild der Flying Santellis mit Lucia und Joe und Cleo und Marios Vater. Mario war nicht wiederzuerkennen. Er war weder er selbst noch ganz so wie die Bilder von Barney Parrish.
Stella rückte den plump aussehenden Gürtel des Kostüms zurecht. »Haben es Frauen je geschafft, in diesen Schlüpfern zu fliegen?«
Mario sagte gutmütig: »Du hast doch genug Bilder von Lucia gesehen, wie sie es in dem Aufzug geschafft hat.«
Jim Fortunati kam auf sie zu, als sie in das Hauptzelt gingen. »Santellis, fertig? Meine Güte, ich glaube, deine eigene Mutter würde dich nicht
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