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Trapez

Trapez

Titel: Trapez Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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Aber zu welchem Preis? Zu welchem unschätzbaren Preis – für das, was aus Mario geworden war? Mario war von Anfang an so gewesen – er ging immer einen Schritt weiter ins Ungewisse und forderte die Chancen des Möglichen heraus – und Tommy konnte ihn bloß erreichen, weil Mario darauf vertraute, dass Tommy immer sagen würde, wie er es auch jetzt tat: »Okay Junge, es ist dein Hals. Mir gefällt es nicht, aber du weißt ja, was du zu tun hast.«
    Das war der Preis für das Fliegen. Er hatte das von Anfang an gewu ss t, aber es war ihm nie so klar geworden. Es handelte sich nie um Mut – sondern nur um Disziplin, Beherrschung und perfektes Wissen um das, was er tat.
    Jetzt erkannte er nicht nur den Preis für das Fliegen, sondern auch den Preis, den er die ganzen Jahre lang gezahlt hatte: Nicht nur bereit zu sein, sich seinen eigenen Hals zu brechen, sondern auch zuzulassen, dass Mario sich seinen brach, wenn es sein mu ss te.
    Angelo hatte also doch recht. Er war zu jung zum Fliegen gewesen. Nicht zu jung, um die Tricks zu lernen, aber zu jung, um den Preis völlig zu verstehen. Und jetzt war es zu spät. Tommy erkannte, dass viele Jahre lang sein wirkliches Leben das Fliegen gewesen war. Alles andere war nur der Lauf des Lebens, die tägliche Routine, bis er wieder auf das Trapez stieg. Alles andere im Leben war eintönig, farblos. Aber er dachte nicht länger darüber nach, was er tun würde, wenn er sich entschließen sollte, nicht zu fliegen. Dafür war es zu spät.
    Das einzige, was mir jetzt Angst macht, ist, dass ich eines Tages nicht mehr fliegen kann. Manchmal verfolgte ihn die Erinnerung an den kleinen, lahmen Mann, der Mario beim Dreifachen zugesehen hatte, und er wu ss te jetzt, was in Barney Parrishs Augen geglimmt hatte. Dieser gequälte Blick.
    Wie damals, als sie zum ersten Mal an der Passage zusammen arbeiteten, schien es jetzt so, dass sich alle Spannung zwischen ihnen nicht bis zu dem Augenblick aufbaute, wenn sie einander nachts in die Arme fielen, sondern in den Moment gipfelte, wenn Mario sich vom Trapez in Tommys wartende Hände warf…
    Am schlimmsten war es, dass Angelo sie weiter wie besessen beobachtete und immer in der Nähe der Tür des Übungsraums stand. Tommy fragte eines Tages: »Glaubt er immer noch, dass er uns mal dabei erwischt, dass wir uns an die Jungs ranmachen?«
    »Woher, zum Teufel, s oll ich wissen, was er glaubt?« fragte Mario. »Er kann zusehen, bis er schwarz wird, wenn es nach mir geht. Vielleicht fällt ihm dann wieder das ein, an was er geglaubt hat.« Er wandte sich seiner Seite des Trapezaufbaus zu, aber Tommy sah die Traurigkeit in seinem Gesicht.
    Eines Tages kam es zum Krach, als Mario mit der Nachmittagsstunde für die Jungen fertig war. Clay war zu spät gekommen, und Mario hatte versprochen, dass er mit ihm hinterher allein arbeiten würde, dass Car l, Bobby und Phil eine eigenständige Gruppe wären und getrennt proben sollten. Tommy erkannte daran, dass Mario in Clay zumindest einen zukünftigen Santelli sah. Er gestattete Clay die gleichen Vorrechte, die Tommy in den letzten paar Wochen gehabt hatte, bevor er öffentlich mit ihnen aufgetreten war.
    Aber heute Nachmittag kam Clay zu spät und ging mit seinen schmutzigen Turnschuhen über den Fußboden des Übungsraums und hinterließ Spuren. Es war auch nicht das erste Mal . Der Fußboden wurde jetzt nicht so gepflegt, wie es zu Papa Tonys Zeiten der Fall war. Er war wahrscheinlich seit dem letzten Jahr, in dem Papa Tony noch lebte, nicht mehr gebohnert worden. Mario beobachtete ihn, seine Wut war kurz vor dem Überkochen, aber alles, was er sagte, als Clay zu ihnen kam und seine Turnhose trug, war: »Was ist los? Sind deine Trikots in der Wäsche oder was?«
    »Lucia hat sie nicht trocknen lassen.«
    Mario sagte beißend : »Und natürlich weißt du nicht, wie man sich ein paar Wäscheklammern nimmt und was auf die Leine hängt. Ist es ein so komplizierter Vorgang, dass er die Grenzen deines schwachen Gehirns übersteigt?«
    »Hör auf, Matt«, sagte Clay mürrisch. »Spielt das eine Rolle? Lucia erzählt i mmer diese Geschichte vom Alten – wer es auch immer war –, der sein Kostüm verloren hat und in seiner roten Wollunterhose aufgetreten ist. Warum machst du Ärger wegen meiner Turnhose?«
    Mario wirbelte zu Angelo herum und sagte: »Und mach du die verdammte Zigarette aus!«
    Angelo legte seine Stirn in Falten und drückte die Zigarette. »Was ist denn heute in dich gefahren, Matt?«
    »Was,

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