Trapez
zum Teufel, machst du überhaupt hier?«
Angelo zuckte die Achseln. »Ich weiß es auch nicht«, sagte er. »Willst du mir eine Szene machen und mich rauswerfen?«
Mario wandte sich wutschnaubend ab. »Mach doch, verdammt noch mal, was du willst. Hier geht sowieso alles vor die Hunde.« Aber als er die Plattform erreichte, hatte er sich wieder gefangen.
Egal, in welcher Verfassung er ist, dachte Tommy.
Wenn er die Leiter hochklettert, ist er wieder in Ordnung.
Er sah Clays verdrießliches Gesicht. Mario mu ss te damals auch so ausgesehen haben, als Angelo mit ihm am Dreifachen arbeitete – ein sehr ernsthafter Junge, gertenschlank, mit dunklem Haar, das in Locken in seine Stirn hing. Tommy wölbte seinen Rücken und trieb seinen eigenen Schwung automatisch höher, um den verkürzten Schwung des Jungen auszugleichen. Er fing Clays dünne Handgelenke und warf ihn dann zurück an die Stange.
Später saß er aufrecht auf seinem Trapez und hörte Mario bei der Kritik zu.
»Aber du wartest immer noch nicht lange genug, Clay.
Das schlimme ist, dass du überhaupt nicht springst – du lä ss t Tommy herankommen und dich von der Stange nehmen. Versuch’s noch mal. Und diesmal komm mit eigener Kraft von der Stange los. Du sollst abspringen und nicht abfallen.«
»Ja, aber du sagst mir die ganze Zeit, dass ich nicht zum Fänger greifen soll«, erwiderte Clay und nahm die umwickelte Stange aus Marios Händen.
Warum, zum Teufel, lä ss t Mario solche Widerworte zu?
Wenn ich so was gemacht hätte, hätte er mich weggejagt!
»In Ordnung. Warte einen Moment, warte, los!«
Clay sprang vom Brett ab. »Zieh dich hoch! Zieh dich hoch!« rief Mario. »Streck deine Füße aus – in Ordnung – jetzt!« Clay fiel auf Tommy zu. Wieder drückte sich Tommy leicht nach vorn, als er die Drehung des wirbelnden Körpers beurteilte und wieder griffen seine Hände um Clays Handgelenke.
»Du wartest immer noch zu lange. Tommy mu ss te dich wieder hochziehen. Tom, wenn er das das nächste Mal tut, dann hilf ihm nicht, sondern la ss ihn einfach fallen«, rief Mario. »Jetzt dreh dich um – langsam, langsam – in Ordnung, la ss los – greif zu.« Als Tommy Clays Handgelenke losließ , griff der Junge nach der Stange, berührte aber kaum mit den Fingerspitzen den Rand des Trapezes, fiel hinunter aufs Netz zu. »Roll dich ab!« riefen Mario und Tommy gleichzeitig, und Clay, der sich wie eine Katze in der Luft drehte, federte leicht ins Netz.
Mario tauchte neben ihn hinunter. Auf dem Fußboden sagte er ärgerlich: »Siehst du, du hast wieder zu lange gewartet – du hast es jedes Mal gemacht.«
Clay sah Mario mit vorgestrecktem Kinn an. Er sagte:
»Du hast die Stange zu früh fallen lassen, nicht, Matt?«
Tommy, der das Seil herunterrutschte, fiel beinahe vor Erstaunen herunter. Marios Gesicht lief dunkel an.
»Ich hab’ die Stange zu früh fallen lassen?«
»Was ist los?« fragte Clay. »Glaubst du, du bist perfekt oder was? Klar hast du sie zu früh fallen lassen!«
Mario ging mit solch einem bedrohlichen Gesicht auf ihn zu, dass Tommy wu ss te, wenn Mario ihn jemals so angesehen hätte, dann hätte er auf dem Absatz kehrt gemacht und wäre weggerannt. Mario sagte: »Clay, weißt du, was mit dir los ist? Du hast immer eine Ausrede.
Wenn was schief läuft, ist es Tommys Schuld oder meine Schuld, niemals deine. Für so was ist kein Platz in dieser Familie. Du glaubst, dass du verdammt gut bist, nicht?«
»Johnny hat sich nicht beschwert.«
»Du könntest nicht mal zum Fänger rüberspringen, wenn Tommy nicht die ganzen verdammten Dummheiten, die du machst, ausgleichen würde.«
»Klar«, sagte Clay mit einem dreisten Grinsen. »Wir wissen alle, dass Tommy nichts falschmachen kann. Besonders was dich betrifft.«
»Er hat wenigstens in deinem Alter schon gewu ss t, nicht zu widersprechen«, sagte Mario verärgert. »Wenn es nach mir ginge, würdest du überhaupt nicht fliegen.«
»Tja«, sagte Clay imm er noch mit diesem dreisten Lä cheln, einem kindischen Lächeln, bei dem es Tommy in den Fingern juckte, ihm eine Ohrfeige zu geben. »Geht es denn nach dir?«
Mario öffnete seinen Mund und schlo ss ihn wieder. Er sah Angelo an, der gleichgültig neben der Tür stand und rauchte. »Wahrscheinlich nicht. Los, geh nach oben und zieh dich um.«
»Macht es dir was aus, wenn ich mir zuerst meine Schuhe hole?« fragte Clay.
Mario stapfte in den Umkleideraum, holte Clays schmutzige Schuhe heraus und hielt sie dem Jungen mit
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