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Trapez

Trapez

Titel: Trapez Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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war, hatte ihr Vater sie als einen ›Obermann‹ benutzt, sie bei seiner komischen Nummer auf seinen Schultern balanciert. Mit neun war sie schon ein alter Hase in der Manege und trat in einer Antipoden-Nummer auf, bei der einer ihrer Onkel, ein Akrobat, rücklings auf dem Boden lag und auf seinen gestreckten Fü ss en Stella und einen ihrer kleineren Cousins wie zwei hüpfende Bälle drehte und jonglierte. Bald hatte sie wohl jeden Akrobatenakt im Zirkus ausprobiert. Im ersten Jahr des Krieges waren sie in Australien unterwegs, als ihre Mutter bei einem Zugunglück ums Leben kam. Stellas Vater hatte gleich darauf wieder geheiratet. Stellas Stiefmutter brachte ihr dann die Trapezarbeit bei, und für eine Weile traten die beiden unter dem Namen ›The Swallows‹ in einem Doppeltrapezakt auf. Stella wurde wortkarg, wenn sie über ihre Jugendzeit berichten sollte oder darüber, was sie zum Jahrmarkt gebracht hatte, wo Johnny sie gefunden hatte.
    Aber sie sprach offen von der Arbeit, die sie bisher getan hatte.
    »Heutzutage darfst du fast nichts tun, bis du alt genug bist, um zu wählen. Ich arbeitete einen Winter lang in New York. Ich war elf und hatte schon drei Jahre lang Aufschwünge gemacht, aber Daddy mu ss te der Polizei erzählen, dass ich sechzehn wäre, sonst hätten sie mich ins Erziehungsheim gesteckt. Ein paar Kinder aus der Show sind tatsächlich weggeholt worden.«
    »Wie alt bist du jetzt, Stella?«
    Sie sagte schnell: »Einundzwanzig«, aber Tommy glaubte ihr nicht. Sie sah nicht älter aus als er selbst. Er erfuhr nie ihr genaues Alter, nicht einmal Jahre später, als es ein Streitpunkt wurde. Und er fragte sich manchmal, ob sie es selbst genau wu ss te.
     
    Eines Nachmittags waren sie früher als gewöhnlich heruntergekommen. Johnny fing, Tommy und Stella waren zusammen auf dem Brett und Mario trainierte sie vom Boden aus, als Papa Tony hereinkam. Der alte Mann kletterte flink die Leiter hinauf und stellte sich neben sie beide. Während er seine Hände kurz am Talkumbeutel rieb, warf er einen verächtlichen Blick auf Stellas verschossenen Turnanzug.
    »Hast du kein Trikot?« fragte er scharf.
    »Nein, Mrs. Gardner hat gesagt, dies ist gut so«, murmelte Stella, eingeschüchtert, und Papa Tony knurrte:
    »Das ist ja ganz neu, dass Stella und Johnny hier mitmachen.«
    »Ich hab’ sie drum gebeten«, sagte Mario von unten.
    Liss hatte sich auf Barbaras kleines Trapez gesetzt und schaukelte sanft vor und zurück, weniger als zwei Meter über dem Boden.
    Sie sagte: »Stel ist die einzige, die leicht genug für Tommy ist, Papa. Außer mir. Und du weißt , ich hab’s David versprochen.«
    »Aha!« Papa Tony warf Stella einen ungemütlichen Blick zu. Dann rief er: »Du arbeitest mit uns, Johnny?«
    Wie immer sprach er es Gianni aus.
    »Das liegt bei dir, Papa. Ich geh’ runter, wenn du willst.«
    »Nein, bleib, wo du bist. Angelo ist noch nicht hier, und ich hatte noch nicht die Gelegenheit, euch arbeiten zu sehen. Tommy«, er drehte seinen Kopf, »geh runter.
    Ich glaube, wir lassen die junge Dame das Trapez bedienen. Nun, Mi ss Stella?«
    Stella lächelte ihn nervös an.
    Tommy wollte gerade die Leiter runterklettern, aber Papa Tony sagte scharf: »La ss mich mal sehen, wie du mit einem Salto ins Netz springst. Glaubst du, du schaffst es, ohne auf der Nase zu landen?«
    Tommy holte tief Luft. Er konnte sich an jedem Punkt seines Schwungs von der Stange fallen lassen, aber bis jetzt hatte Mario ihm nicht erlaubt, einen Vorwärtssalto vom Brett ins Netz zu versuchen. Er hielt seine angewinkelten Arme vor seinen Kopf, sprang vom Brett ab, drehte sich, griff mit seinen Armen um seine angezogenen Knie, knallte auf seinen Rücken und sprang auf seine Füße .
    »Das reicht fürs erste, aber du bist kein Hampelmann!« rief Papa Tony barsch hinunter. »So holst du dir ein blaues Auge oder brichst dir die Nase an deiner eigenen Kniescheibe. Zieh den Kopf ein und roll dich im Netz ab.
    Hast du gehört?«
    Tommy hob seinen Pullover auf, legte ihn über die Schulter und ließ sich auf dem Boden nieder, um zuzusehen. Über ihnen schaukelte Papa Tony vor und zurück, machte dann einen sauberen, perfekten Abgang über die Stange und segelte durch die Luft wie eine Möwe. Er drehte sich im Flug, so dass Johnnys ausgestreckte Hände nicht seine Handgelenke, sondern seine Fußknöchel umfa ss ten. Sie schwangen zusammen; Papa Tony streckte seine Arme aus, richtete schwungvoll seinen Körper auf –und bei einem

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