Trapez
zurückfuhren. Aber Tommy war damals tatsächlich zu schläfrig gewesen, um die Berührung wahrzunehmen. Er war sich ihrer jetzt sehr bewu ss t, während seine Wange auf dem weichen, schlichten Stoff von Marios Hemd ruhte. Seine Hand lag so, dass seine Fingerrücken an Marios Ledergürtel ruhten. Marios Oberschenkel war eng an seinen gepre ss t. Mario roch immer leicht nach Nelken und sehr schwach nach Schweiß . Und gerade jetzt roch er ein bi ss chen nach Schokolade. Plötzlich, beschämt durch die Nähe, räkelte sich Tommy und murmelte etwas, gab vor, plötzlich aufzuwachen und zog sich ein bi ss chen zurück.
»Es ist okay«, flüsterte Mario, sein Mund nahe an Tommys Ohr. »Schlaf ein.«
Tommy antwortete nicht. Er fühlte sich wieder verlegen, aber er rutschte nicht auf seine Seite des Sitzes, wie er es wollte, und nach einem Moment zog Mario Tommy wieder an seine Schulter. Tommy, der sich ohne irgendeinen Grund töricht vo rkam, gab vor, eingeschlafen zu sein; er schnarchte nicht, aber er atmete etwas tiefer. Er war jetzt wirklich schläfrig.
Nach einer Weile, durch seine Schläfrigkeit hindurch, merkte er, dass Mario sehr sanft seinen nackten Oberarm streichelte. Er bewegte sich leicht, und sofort war Mario völlig ruhig – seine Hand unbewegt auf Tommys Schulter, so, als ob er den Jungen nur abstützen wollte, damit er nicht in den Kurven vom Sitz fiele.
Tommy bewegte sich nicht. Er hielt die Augen geschlossen, sein Gesicht an Marios Schulter gepre ss t, in einer Dunkelheit, die wie die Dunkelheit eines tiefen Schlafes war. Er hörte Mario seufzen und fühlte das tiefe, warme Heben und Senken seiner Brust. Mario hätte ebensogut eingeschlafen sein können, und doch war da diese seltsame, abwartende, gespannte Ruhe in ihm.
Tommy fühlte, dass Mario auf irgendein Zeichen von ihm wartete, dass Mario genau wu ss te, dass er nicht schlief, aber aus irgendeinem Grund sicher sein wollte, dass Tommy weiter so tat als ob. Das Vortäuschen von Schlaf war plötzlich sehr wichtig geworden. Tommy regte sich wieder etwas und seufzte, kuschelte sich etwas näher an und fühlte, dass Mario den Atem anhielt. Plötzlich scho ss der Gedanke durch seinen Kopf: Die Nacht in dem Haus.
Er wu ss te, dass ich in jener Nacht auch nicht geschlafen habe. Behutsam schob Tommy seinen Arm hinter Mario, hielt sich an ihm fest, sein Gesicht an seiner Schulter vergraben. Als ob seine Bewegung das Signal gegeben hätte, fühlte er den sanften Atem und fühlte, wie Marios Arm sich anspannte und ihn einen Moment fest drückte.
Er hielt die Augen geschlossen, sein Gesicht versteckt. In der Dunkelheit fühlte er, wie sich Marios Hände auf ihm bewegten, sich um seine Taille schlossen, tiefer gingen, seine nackten Schenkel berührten, hoch in das Bein seiner Turnhose rutscht en. Jetzt merkte Tommy ganz un mi ss verständlich, welche Art von Erregung sich in ihm rührte – unerwartet, unerwünscht… aber seltsamerweise nicht unwillkommen.
Eine flüchtige, halb ärgerliche Erinnerung durchfuhr ihn, von einem heimlichen, verstohlenen Experiment mit einem Klassenkameraden vor Jahren … Verflixt, wir waren ja bloß Kinder, die herumspielten. Einmal hatte sein Vater ihn gewarnt, dass ein Junge manchmal vorsichtig in der Gegenwart anderer Männer sein mü ss te. Er hatte ihnen einen Namen gegeben: Perverse. Er hatte es abstoßend klingen lassen, und Tommy war hin und her gerissen gewesen zwischen Abscheu und widerwilliger Neugier. Als er älter wurde, hatte er den Gedanken irgendwie beunruhigend reizvoll gefunden. Er hatte das Wort schwul gehört, und er hatte ein paar Versager verdächtigt, auf die ihn Schulfreunde hingewiesen hatten. Er hatte eine vage Vorstellung durch die Unterhaltung mit seinem Vater, dass es nicht klug war, in öffentlichen Toiletten herumzulungern, denn dann könnten widerwärtige Fremde kommen und unaussprechliche Angebote machen.
Aber dies war Mario. Und Tommy erkannte wieder, genau wie in jener Nacht, dass er, ohne es zu wissen oder zu wissen warum, schon lange gewollt hatte, dass Mario ihn so berührte. Als Marios Finger sich auf ihm bewegten und ihn in harte Erregung versetzten, schien es ihm plötzlich, dass er sich den ganzen vergangenen Winter lang in einem Kreis, mit Mario in der Mitte, gedreht hatte. dass er nur intensiv lebte, wenn Mario in Sichtweite war oder ihn beobachtete. dass die seltsame Spannung und Unruhe in ihm sich unausweichlich auf diesen Moment zubewegt hatte. Er erinnerte sich, u nd sogar in
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