Trattoria Finale
Unfallstelle schleunigst zu verlassen.
»Wo habt ihr das ganze technische Zeugs denn gelernt?«, fragte Giuseppe Chiudi, der Chronist der ehrenwerten Familie. »Das ist doch für – äh – so Menschen im fortgeschrittenen Alter gar nicht so einfach, nicht wahr?«
»Vor allem Interesse, Neugier und der Wunsch, immer noch zu den Besten zu gehören, mein Guter«, antwortete Ettore. »Rettungsdienst und Polizei waren ziemlich schnell am Unfallort. Und es gab, soweit wir wissen, keine ernsthaften Zweifel daran, dass es ein Unfall war. Eine Panne passierte uns zwar, aber diese zeitigte glücklicherweise keine schlimmeren Folgen. Unsere liebe Basilica bekam Probleme mit ihrem japanischen Auto, konnte es nicht mehr starten und blieb zurück. Sie wurde dann befragt und gab wahrheitsgemäß an, dass Haider sie kurz vor dem Crash überholt hatte. Die netten Polizisten haben ihr dann sogar geholfen, den Wagen wieder zu starten, hihi.«
»Ja, lach du nur«, grummelte Ornella. »Das war das letzte Mal, dass ich euch geholfen habe.«
»Liebchen, es wird ja auch nicht mehr nötig sein«, entgegnete Jacques, was ihm einen weiteren bösen Blick der alten Sizilianerin eintrug.
»Der Tod, das muss ein Wiener sein.« Jacques ließ seinen Blick über das Panorama der Stadt schweifen.
Ettore nahm Jacques’ Hand und führte sie an seine Brust. »Mein Schatz, du bist bei all deinen Fürchterlichkeiten doch ein Poet.«
»Nun, sagen wir, ich vermag vielleicht einen guten Poeten an geeigneter Stelle zu zitieren.«
»Auch das liebe ich an dir. Lass es mich auch einmal versuchen – Wien bleibt Wien, und das geschieht ihm ganz recht.«
Jacques lachte. »Wohl gesprochen, und wie passend. Unsere braunen Auftraggeber und Dinnergäste müssten so langsam auftauchen, nicht wahr? Es wird Zeit, dass sie ihren großen Führer und Landeshauptmann in sich aufnehmen, wie er es verdient hat.«
»Und wie sie es verdient haben.«
»Auch das.«
Sie schwiegen eine Weile, zwei alte Männer, die sich an den Händen hielten und einen ungewöhnlich warmen Oktoberabend auf der Dachterrasse eines Wiener Stadthauses in der Himmelpfortgasse genossen. Aus dem engen Sträßchen unter ihnen schallte der Klangteppich schwatzender Flaneure gedämpft herauf, doch das störte die beiden nicht. Dieser Moment währte aber nicht lange, denn ein Mann betrat das Dach und sprach sie an: »Entschuldigen’s bittschön die Herrschaften – Ihre Gäste sind eingetroffen.«
»Na, dann mal herauf mit ihnen«, sagte Jacques und wandte sich zu der Kochstelle, die er dort aufgebaut hatte, um ein letztes Mal das vorbereitete Arrangement zu überprüfen.
Adolf, Eva und Hermann betraten die Terrasse. Adolf hielt einen Koffer in der Hand. Seine ersten Worte waren: »Hier ist die Restzahlung. Wollen Sie es prüfen?«
Ettore grinste. »Sie haben es aber sehr eilig, das Geld loszuwerden. Setzen Sie sich doch erst einmal hin. Genießen Sie die Aussicht, trinken Sie mit uns einen Apéro, und lassen Sie uns etwas essen. Jacques ist ein Künstler, glauben Sie mir.«
Die drei setzten sich hin und ließen sich ein Glas in die Hand drücken. Den Koffer hielt Adolf fest, als hätte er sich entschlossen, ihn doch nicht abzugeben. Eva meinte, als sie einen Schluck getrunken hatte: »Das war eine beeindruckende Leistung, muss ich schon sagen. Niemand zweifelt ernsthaft daran, dass es ein Unfall war. Ich hätte nicht gedacht, dass Sie so sauber arbeiten.«
»Wie nett Sie das sagen«, lächelte Jacques. »Spätestens damit haben Sie sich Ihre Kärntner Fleischkrapfen wirklich redlich verdient.«
Er servierte die vorbereiteten Portionen galant auf edlen Tellern, aus denen schon Prinz Eugen seine Siegesmahlzeiten genossen haben mochte. »Bitte, kosten Sie. Es war Ihre Wahl. Ich habe lediglich meine Handschrift spielen lassen, um unser Dankeschön für diesen interessanten Job möglichst geschmackvoll zum Ausdruck zu bringen. Lassen Sie uns einen Moment an den guten Landeshauptmann denken und dabei diese Kärntner Spezialität genießen.«
»Ja, meine Lieben«, schloss Jacques die Erzählung ab. »Und so kam es, dass diese rechten Spinner am Ende ihren ehemaligen Weggefährten doch noch ganz gern mochten. Sie aßen seine linke Schulter, tranken dazu Blauen Zweigelt und danach noch einen Mokka, überließen uns einen Koffer voller Geld und verschwanden so selbstgefällig, wie sie gekommen waren.«
»Hat denn niemand bemerkt, dass der Haider nicht – vollständig war?«, fragte
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