Trattoria Finale
blickte dann auf Ettore, der sich anschickte, etwas zu sagen.
»Liebe Gäste – Freunde, Feinde, Mord- und Spießgesellen! Wir haben euch eingeladen, mit uns den endgültigen Abschied aus einem bewegten Arbeitsleben zu feiern. Der eine oder andere hat es nicht überlebt – wäre ja auch eine große Überraschung gewesen, wenn nicht. Wer weiß, wie lange wir noch leben, um unseren Traum von der Trattoria genießen zu können. Dieses Wochenende jedenfalls haben wir überlebt, und das ist – wenn ich so in die Runde blicke – keine Selbstverständlichkeit. Einige Geschichten aus unserer gemeinsamen Laufbahn haben wir erzählt. Viele andere nicht. Vielleicht muss auch nicht alles erzählt werden. Beispielsweise hätte der eine oder andere sicherlich gerne erfahren, wie aus unserem großartigen Onkel Chaim eine Hartwurst wurde. Nun ja. Es wird bestimmt die Möglichkeit geben, zukünftig in unserer Trattoria an speziellen Abenden die eine oder andere Geschichte zum Besten zu geben. Jedenfalls haben wir es sehr genossen, euch hier bei uns zu haben, dessen seid gewiss. Und habt vielen Dank für euer Kommen!«
Die Anwesenden erhoben sich und klatschten Beifall. Don Stefano ließ mit einer kurzen Handbewegung alle wieder Platz nehmen und sagte dann: »Lieber Ettore, verehrter Jacques! Ich hätte nicht gedacht, dass ihr dieses Wochenende überlebt. Und jeder einzelne hier Anwesende weiß, was mich das kostet.«
Gelächter unterbrach die Rede des Paten, das jedoch schnell wieder abbrach. Don Stefano erlaubte sich die Andeutung eines kurzen Lächelns und sprach dann weiter: »Aber ihr habt wieder einmal Format bewiesen, und es ist nunmehr mein ausdrücklicher Wille, bei meinen Besuchen in Deutschland immer einen Ort zu haben, an dem ich gutes Essen unter Freunden genießen kann. Ich hoffe nicht nur, sondern ich weiß, dass ihr eines friedlichen, natürlichen Todes sterben werdet. Warum ich das weiß? Weil ich es sage!«
«Das kann ja wohl nicht wahr sein!«
Alle schauten Stanley Macomber überrascht an, denn – obwohl er seinem Spitznamen genau genommen schon treu blieb – hörte sich dieser Ausruf nicht wirklich einsilbig an. Wilson, der natürlich neben Stan saß, beeilte sich hinzuzufügen: »Stanley meint, es ist eine unerhört gute Nachricht und sehr beruhigend zu wissen, dass unsere lieben Gastgeber unter dem ausdrücklichen Schutz des Paten stehen.«
»Yep«, nickte Stan dazu.
»Dann hätten wir das geklärt«, meinte Don Stefano und erwiderte das Nicken des Engländers.
»Cool«, sagte Zippo Violenza und hob sein Feuerzeug auf, das ihm bei Stanleys Ausruf aus der Hand gefallen war. Und dieser Eloquenz wollte dann keiner aus der Runde noch etwas hinzufügen.
Es war still geworden in der Villa Sangue. Der Schatten, den die Godesburg eben noch in das Abendrot geworfen hatte, war von der sich ausbreitenden Dunkelheit geschluckt worden.
»Liebchen, bist du zufrieden?«
Jacques’ Frage blieb einen Moment in der lauen Abendluft, die über die Dachterrasse der Villa strich, stehen.
»Ja«, antwortete Ettore leise. »Sehr sogar.«
»Das könnt ihr auch sein«, bemerkte Ornella, die hinter die beiden getreten war.
Ettore drehte sich zu ihr um und strich mit beiden Händen sanft über ihr weißes Haar. »Meine liebe Basilica«, sagte er lächelnd und sah ihr tief in die Augen. »Hast du den Wein, den du uns kredenzen wolltest, sicher aufgehoben?«
Die alte Sizilianerin erwiderte seinen Blick etwas irritiert. »Warum fragst du das?«
»Es könnte ja sein, dass irgendwann der Tag kommt, an dem wir diesen Wein gemeinsam trinken wollen, nicht wahr?«
Ornella Pellegrino antwortete nicht. Sie senkte ihren Blick, um dann Jacques anzusehen, als dieser meinte: »Wollen wir hoffen, dass dieser Tag noch fern ist. Aber eines ist gewiss: Wir werden sie haben, unsere Trattoria Finale.«
Der Sechshunderter Daimler rollte durch die Straßen Bonns. Zippo Violenza steuerte die Autobahn Richtung Flughafen an. Rachel und Kaiman saßen schweigend im geräumigen Fond. Irgendwann konnte Kai die Stille nicht mehr aushalten.
»Ist es nicht bemerkenswert, dass Don Stefano die beiden alten Galgenvögel so ausdrücklich unter seinen Schutz gestellt hat?«
»Bemerkenswert? Vielleicht«, antwortete Rachel. »Aber nicht wirklich überraschend für mich.«
»Wieso?«
Rachel schüttelte lächelnd den Kopf. »Mankowski, ich weiß ja nicht, was Sie alles mitbekommen haben. Sicherlich das eine oder andere, was Ihnen sehr gefallen hat. Und
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