Trau niemals einem Callboy! (German Edition)
weiterging, würde ich die Konsequenzen ziehen und den Traum von der Schauspielerei aufgeben müssen. Nachdenklich starrte ich das Glas an. Jetzt war ich genauso deprimiert wie Alan.
»Es macht mir nichts aus, wenn dir meine Manieren nicht passen. Mir gefallen sie auch nicht. An langen Winterabenden bedauere ich diese Tatsache sehr.«
Humphrey Bogart zu Lauren Bacall, in »The Big Sleep«
4
A C/DCs »Highway to hell« hämmerte aus den Lautsprechern. Der Titel war durchaus passend, auch wenn ich mir vorkam, als sei ich längst dort. In der Hölle. Anders konnte man die Tortur nicht beschreiben, der uns Marie in gewohnter Form unterzog. Die Tae-Bo-Trainerin, die trotz ihrer fünfzig Jahre beneidenswert durchtrainiert war, hüpfte vor uns auf und ab, als hätte die Stunde gerade erst angefangen. Dabei waren schon fünfzig der sechzig Minuten vergangen, was man mir durchaus ansah. In dem Spiegel, der unbarmherzig die armseligen Gestalten zeigte, die noch mithalten konnten, sah ich aus, als hätte ich vierundzwanzig Stunden lang in der Sonne gelegen. Eine Tomate würde blass vor Neid angesichts meiner Hautfarbe.
»Und Jab, rechts, links, Haken«, brüllte Marie in ihr Headset. »Los, bewegt euch. Wir machen hier Boxen, nicht Tai-Chi.«
Keuchend atmete ich aus. Ich schwitzte, und meine Klamotten würde ich nach dem Training auswringen können. Trotzdem gab ich mein Bestes. Den gestrigen Tag hatte ich vorwiegend damit verbracht, in Selbstmitleid zu schwelgen. Allmählich reichte es. Fakt war, ich hatte die Sache mit Alan am Freitagabend vermasselt, aber das war kein Grund, im Bett zu liegen und Chips in mich hineinzustopfen.
»Und Kick. Eins, zwei …«, tönte es aus dem Lautsprecher.
Ich schaffte es kaum, den Tritt bis in Kniehöhe durchzuführen, geschweige denn so hoch, wie Marie es uns vormachte. Nicht zum ersten Mal fragte ich mich, wie sie zu diesem harmlosen Vornamen kam.
»Komm, Lauren. Lass mich diesen Kick sehen. Höher«, unterbrach sie meine Überlegungen.
Höher? Ich war kurz davor, tot umzufallen. Eines war sicher, ich hatte garantiert jedes Gramm Fett meiner Chips-, Cola- und Schokoladeneis-Orgie verbrannt. Und noch ein bisschen mehr. Wenigstens entsprach ich einem der vielen Schönheitsideale, die Hollywood hinsichtlich der weiblichen Figur hat: Ich war schlank. Meine Figur verdankte ich einer guten Veranlagung, die dafür sorgte, dass ich so viel essen konnte, wie ich wollte ohne, zuzunehmen, was für Stace eine ständige Quelle des Neides war. Mir fehlten zwar die Oberweite, die Schlauchbootlippen und der »weibliche Look«, aber wenigstens musste ich meinen Körper nicht verstecken.
Erstaunlicherweise überlebte ich das Tae-Bo-Training, ohne unter ein Sauerstoffzelt zu müssen. Dieser Erfolg verdiente es, gefeiert zu werden, und so saß ich eine halbe Stunde später frisch geduscht zusammen mit Jamie, einer Leidensgenossin aus der Schauspielschule, an der Vitaminbar des Fitnessstudios.
»Kann man das trinken?«, fragte ich Jamie mit einem zweifelnden Blick auf den Drink, der vor mir stand. Das Gebräu sah wie Schlamm aus und roch auch so.
»Klar, das ist super. Es gibt nichts Gesünderes!«
»Genau so sieht es auch aus«, murmelte ich und überlegte, ob ich das Zeug in einen Plastikbecher schütten und Stace mitbringen sollte. Im Gegensatz zu mir liebte sie dieses gesunde Grünzeug.
»Los, probier es. Du wirst begeistert sein.«
Das bezweifelte ich. Aber Jamies Enthusiasmus war ansteckend. Vorsichtig nahm ich einen Schluck. Genau wie ich es geahnt hatte, Gras vermischt mit Schlamm. Was hatten diese Gesundheitsfanatiker bloß gegen guten Geschmack einzuwenden? Cola zum Beispiel ist ein wundervolles Getränk. Voller Zucker, der Energie gibt, irgendwelchen Inhaltsstoffen, die niemand kennt, die aber super bei Magenverstimmungen sein sollen. Und dann noch jede Menge Koffein, um einen wach zu halten.
»Hast du eigentlich schon von dem Casting gehört, das in zwei Wochen stattfindet? Für den neuen Film von Brad Bailey?«, unterbrach Jamie meine tiefsinnigen Überlegungen.
»Nein, aber es gibt doch laufend Castings von dem Film, der der Kassenschlager wird, und meistens ist es dann der Flop.«
»Kann sein, aber hast du schon einmal von einem Flop gehört, bei dem Brad Bailey Regie geführt hat?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Nein. Aber ich habe auch noch nie gehört, dass man als totaler Nobody bei einem Film von ihm unterkommt. Selbst die Nebenrollen besetzt er am
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