Trau niemals einem Callboy! (German Edition)
weit auseinanderstehenden Augen. Die einzige Ähnlichkeit, mit der ich aufwarten konnte, waren meine Haare, die in etwa den gleichen Farbton hatten.
Toll. Haare konnte man färben. Aber wie sollte ich aus einem schmalen Pferdegesicht ein schönes, ebenmäßiges machen?
Auf diese Frage gab es nur eine Antwort: Staceys Fundus an Schminkutensilien. Vielleicht gelang mir damit ein Wunder.
Wenig später hatte ich es geschafft, Staceys Zimmer in ein Chaos zu verwandeln. Mit einem mulmigen Gefühl in der Magengrube ließ ich meinen Blick über die zusammengeknüllten Papiertücher, Schminkutensilien, Haarsprays und Fotoausdrucke von Katherine Hepburn wandern. Stacey wird bestimmt nicht vor Mitternacht zurückkommen, versuchte ich die aufsteigende Panik einzudämmen. Bis dahin hätte ich längst alles aufgeräumt. Statt über die Unordnung zu sinnieren, war es wichtiger, meine Mission zu erfüllen. Also wandte ich mich wieder dem Spiegel zu und versuchte meine Haare in die Wellen zu zwängen, die damals anscheinend der letzte Schrei waren. Nach gefühlten drei Stunden war mir auch zum Schreien zumute, allerdings aus anderen Gründen. Während die Lockenwickler meine Frisur in ein Kunstwerk verwandeln sollten, hatte ich mich auf meine Augenbrauen konzentriert. Die von Katherine waren formvollendet geschwungen. Kein Problem, wenn man einen Rasierer hatte und diesen zu benutzen wusste.
»Autsch! Verdammt …« Die gekonnte Nutzung des Rasierers war schwieriger, als ich gedacht hatte. Statt zweier perfekter Bögen starrte mir aus dem Spiegelbild eine Augenbraue entgegen, die meiner Behandlung glücklicherweise entgangen war, während die andere statt einer geschwungenen Kontur einen Irokesenschnitt verpasst bekommen hatte. Ich hatte es geschafft, mir die halbe Braue wegzurasieren und in dem Prozess eine Blutspur zu hinterlassen. Verflixt, tat das weh!
Hektisch versuchte ich, wenigstens der Blutung Einhalt zu gebieten. Dabei ging fast die ganze Schachtel Kleenex drauf, die ich Stacey aus dem Badezimmer stibitzt hatte. Gerade als ich den größten Schaden behoben hatte, ertönte ein lauter Knall. Stacey! Wie immer hatte sie es nicht geschafft, unsere Wohnungstür leise zu schließen. Wenige Sekunden später fiel sie auf das Sofa, das in ihrem Zimmer stand.
»Hallo, was machst du denn hier?«, begrüßte sie mich.
»Ähm … ja, also … ich wollte … ich brauchte Schminksachen. Viele Schminksachen, und da dachte ich …«
»Ach so. Ja, klar, kein Problem.« Stace winkte ab. Es war nicht das erste Mal, dass ich mir ihre Sachen auslieh. Allerdings hatte ich dabei noch nie ihr Zimmer in eine Müllhalde verwandelt. Trotzdem machte sich ein Gefühl der Erleichterung in mir breit, anscheinend bemerkte sie die Unordnung gar nicht. Möglicherweise war ihr Zimmer schon vorher in diesem Zustand gewesen.
»Bist du vollkommen übergeschnappt?«, unterbrach Stace meine hoffnungsvollen Gedanken.
»Warum bist du eigentlich so früh zurück?«, rettete ich mich in eine Gegenfrage, während ich im Geiste hektisch versuchte, eine Entschuldigung zu formulieren. Ich konnte Stace ansehen, dass sie kurz davor war, einen Mord zu begehen.
»Ich fasse es nicht!« Anstatt auf meine Frage einzugehen, betrachtete sie das Chaos. Dann lenkte sie ihren Blick auf mich. »Wie siehst du denn aus?« Der wütende Gesichtsausdruck wich allmählich, als sie meine Erscheinung musterte. Dann brach sie in prustendes Lachen aus. »Bist du schon dabei, dich für Halloween herzurichten? Du siehst zum Fürchten aus!«
»Haha«, antwortete ich mürrisch. Die Erleichterung darüber, einem Donnerwetter entkommen zu sein, wurde ziemlich schnell durch Irritation ersetzt. So schlimm war mein Anblick nun auch wieder nicht.
»Du … du … das ist das Beste.« Weiter kam Stace nicht. Ein weiterer Lachanfall schüttelte sie. Keuchend rutschte sie von der Couch auf den Boden.
»Ich weiß nicht, was so witzig ist«, entgegnete ich kühl.
»Schau … doch … einfach mal in … den … Spiegel«, japste Stace.
Als ob ich in den letzten Stunden etwas anderes getan hätte. Trotzdem tat ich ihr den Gefallen. »Also ich finde …« Und dann prustete ich ebenfalls los. Der Anblick war grotesk. Ich saß mit rotem Lippenstift – das war der Teil des Make-ups gewesen, den ich am besten hinbekam – einer rasierten Augenbraue, einem Lockenwicklerturm auf dem Kopf, in einen alten Bademantel gehüllt vor dem Spiegel. Neben meinem Konterfei konnte man ein vergrößertes Bild
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