Trau niemals einem Callboy! (German Edition)
gesehen, aber das Wetter ist cool«, murmelte ich. Das Wetter ist cool? Was war das für eine blöde Aussage?
»Warum, bei euch ist es doch viel besser, nicht wahr? Ich dachte, in Florida scheint das ganze Jahr die Sonne? Und dann habt ihr nicht diesen Smog.«
»Jaaa«, gab ich widerstrebend zu. »Aber hier ist es nicht ganz so heiß.« Innerlich verdrehte ich die Augen und hoffte darauf, dass mir noch bessere Themen als das Wetter einfielen. Außerdem musste ich Amy von dem Thema »Florida« wieder abbringen. Stace hatte nicht bedacht, dass ich in der Rolle als Mann noch keinen eindeutigen Lebenslauf besaß. Ich würde also improvisieren müssen.
Zum Glück schien Stace meine eindringlichen, aber lautlosen Gebete zu hören, denn es dauerte nicht lange und der erste Film begann. »Mitten ins Herz – Ein Song für dich« mit Hugh Grant und Drew Barrymore. Bald herrschte wohltuende Stille, als wir alle gebannt auf den Bildschirm starrten und zusahen, wie die beiden versuchten, einen Hit zu komponieren. Es war bestimmt das dritte Mal, dass ich den Film sah, trotzdem war ich jedes Mal zu Tränen gerührt, wenn Hugh Grant den Song »Don’t write me off« sang. Wie romantisch. Schniefend wischte ich mir eine Träne aus dem Auge.
»Bist du von allen guten Geistern verlassen?«, zischte Stace in mein Ohr. »Wie kannst du hier sitzen und heulen? Du bist ein Mann! Verschwinde ins Bad, damit sie nichts merken.«
Oh verdammt . Ich hatte vergessen, dass ich nicht Lauren war. Zum Glück hatten weder Amy noch Rosa etwas mitgekriegt. So gebannt, wie sie auf den Bildschirm starrten, hätte man meinen können, Hugh Grant würde gleich aus dem Fernseher hüpfen und vor ihnen auf die Knie fallen. Leise stand ich auf und schlich mich an den beiden vorbei ins Badezimmer. Ich schaute in den Spiegel. Meine Augen waren rot und geschwollen. Das Make-up war glücklicherweise wasserfest, aber trotzdem sah man mir an, dass ich geweint hatte. Verflixte Stace. Es war ihre Idee gewesen, meine neue Identität sofort auszuprobieren.
Hinter mir öffnete sich die Badezimmertür. »Hier, nimm die Augentropfen, dann siehst du nicht mehr so verweint aus.« Bevor ich etwas sagen konnte, war Stace wieder weg. Mit einem Seufzen stopfte ich das Zeug in unser Badezimmerschränkchen. Ich würde die Tropfen nicht brauchen, denn für heute reichte es mir. So leise wie möglich schlich ich in mein Zimmer und schloss die Tür. Sollte Stace den beiden doch erklären, wohin ich verschwunden war.
Am nächsten Tag erwachte ich mit guten Vorsätzen. Nach dem gestrigen Fiasko war mir eines klar geworden: Ich würde diese Scharade nur dann durchhalten können, wenn ich zu einem Mann wurde. Es reichte nicht, so zu tun, als sei ich männlich. Nein, ich musste mit jeder Faser meines Wesens einer sein. Solange ich mich als Frau fühlte, würde es mir immer wieder passieren, dass ich mich vergaß und Fehler beging.
Früher, als mir lieb war, bekam ich die Gelegenheit, meine Vorsätze in die Tat umzusetzen. Am Frühstückstisch saß mir Staceys neueste Eroberung gegenüber. Tom – oder war es Pete? Meine Freundin hatte sich in den Kopf gesetzt, ihr Zimmer hätte einen Touch »Exotik« dringend nötig, und ihr neuer Lover sollte ihr bei der Auswahl helfen. Ich war mir nicht sicher, was sie damit meinte. Aber ich wusste eines: Ein solcher Möbelkauf versprach anstrengend zu werden und verlieh ihrem Neuen bereits jetzt eine Aura eines Helden – oder war es eher ein Zeichen fehlender Intelligenz?
Was auch immer: Er gab ein hervorragendes Studienobjekt für mich ab. Während ich ein Minimum an Platz einnahm, belegte er die ganze Längsseite unseres Küchentisches. Sein linker Arm ruhte lässig auf der Lehne des Stuhles, der neben ihm stand. Seine Beine hatte er weit von sich gestreckt. Seine Augen verfolgten jede Bewegung, die Stace machte. Oder besser gesagt, jede Bewegung, die ihr Busen machte, der nur von einer hauchdünnen, zarten Tunika bedeckt war, die Stace über schwarzen Leggins trug. Heute war Stace eine moderne Version der Kleopatra. Um das Bild abzurunden, trug sie eine Perücke, deren schwarze Haare zu einem messerscharfen Bob geschnitten waren. Ihre Augenlider wurden von mehreren dicken Schichten Mascara nach unten gezogen, aber das schien sie nicht zu stören. Im Gegenteil: Das zusätzliche Gewicht schien ihren Augenaufschlag nur perfekter zu machen.
In meinem Bemühen, ein echter Mann zu sein, nagelte ich meinen Blick ebenfalls an ihrem Busen fest.
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