Trau niemals einem Callboy! (German Edition)
vorher sind wir nicht geworden.“ In seinen Worten schwingt eine unausgesprochene Anklage mit. Er ist sauer, weil ich ohne ihn nach Bad Soden gefahren bin. Schließlich sei es sein Job, auf mich aufzupassen, meinte er.
„Wir wissen jetzt immerhin, wo die Drei Linden Straße ist.“ Mit einem Grinsen schaue ich zu ihm hinüber.
„Toll, das hätten wir auch durch Google Maps herausfinden können.“
Zufrieden registriere ich, dass er anfängt zu schwitzen. Dieser Mann hat eine enorme Kondition. Ich dachte schon, er würde die Anstrengung überhaupt nicht bemerken, die mich jetzt dazu zwingt, das Tempo zu verlangsamen. Dabei tue ich so, als würde ich die Alte Oper bewundern, die vor uns liegt.
„Gut, du Superhirn. Was schlägst du vor?“
„Das ist einfach“, erwidert er und grinst mich an. „Du bezahlst mich dafür, dort hinzufahren und Ron nachzuspionieren. Mich kennt niemand, also wird auch niemand auf die Idee kommen, ich würde ihn beobachten.“
„So langsam geht mir das Geld aus. Du bist ganz schön teuer.“
„Mach dir keine Sorgen. Das ist noch in den tausend Euro drin, die du mir bezahlt hast. Schließlich hatte ich schon lange nicht mehr so viel Spaß.“
Schließlich hatte ich schon lange nicht mehr so viel Spaß. Christians Worte kreisen durch meinen Kopf, als ich vor Nanas Haustür stehe. Ich wünschte, ich könnte das Gleiche sagen, aber ich habe Angst vor diesem Abend. Heute werde ich Carlos kennenlernen. Nanas „jugendlichen“ Liebhaber, wie meine Mutter sagen würde.
Die Tür wird von Nanas Haushälterin geöffnet, und ich trete ein. Stimmengewirr und die Klänge eines Klaviers dringen bis in die Halle vor. Mit einem tiefen Atemzug gehe ich in den Wintergarten hinüber, dort werde ich Nana und ihre Gäste finden. Ich kenne mich aus, denn es ist nicht meine erste Einladung zu einer von Nanas kleinen Dinnerpartys. „Klein“ bedeutet, etwa zwanzig handverlese Freunde und Bekannte, während das Wort „Dinnerparty“ dafür verantwortlich ist, dass ich eine Lagerfeld-Kreation trage und meinen Schmuck aus dem Banksafe geholt habe. Jetzt komme ich mir vor wie ein teuer dekorierter Weihnachtsbaum.
Egal . Wichtig ist, diesen Abend zu überstehen und mir ein Bild von Carlos zu machen … Und dann werde ich mit Nana reden.
„Schatz. Wie schön dich zu sehen!“ Nana umarmt mich und hüllt mich in eine Wolke teuren Parfüms ein. Dann nimmt sie meine Hand. „Komm. Ich muss dir Carlos vorstellen.“ Ihr Gesicht leuchtet, als sie seinen Namen sagt, und ich treffe eine Entscheidung. Nana ist glücklich. Wenn es dieser Mann schafft, ein solches Strahlen in ihr Gesicht zu zaubern, muss er etwas richtig machen, und ich werde die Letzte sein, die Nana ihre Freude verdirbt.
Während ich diesen inneren Monolog führe, zieht Nana mich in einen Seitenraum. Dort, in ein Gespräch versunken, finden wir zwei Männer.
„Liebling. Ich möchte dir jemanden vorstellen“, spricht Nana einen der beiden an. Etwas verwundert registriere ich die grauen Haare, als sich der Angesprochene zu mir umdreht. Das kann nicht Carlos sein. Dieser Mann ist mindestens sechzig Jahre alt, wenn nicht älter.
„Es ist mir ein Vergnügen. Sie müssen Tamara sein. Nana hat schon so viel von Ihnen erzählt. Mein Name ist Carlos de Ballesteros.“
Glücklicherweise übernimmt meine Erziehung die Regie. Wie von selbst murmele ich die richtigen Worte, schüttele seine Hand und ziehe mich kurz darauf zurück, um meine Gedanken zu ordnen. Dann aber muss ich lachen. Nana hat es mal wieder geschafft: Sie hat meine Mutter zur Weißglut gebracht, indem sie sie annehmen ließ, Carlos sei jünger als ich. Ich muss grinsen, wenn ich mir vorstelle, wie meine Mutter dem „jugendlichen Liebhaber“ zum ersten Mal begegnet.
37
Es ist erst acht Uhr, als ich am nächsten Morgen in der Küche stehe, wo mich eine Kanne Kaffee erwartet. Auf dem Tisch stehen außerdem eine volle Müslipackung, ein Schälchen und eine große Kaffeetasse, sodass ich mir einen Milchkaffee machen kann. Der Mann weiß, wie man Frauen verwöhnt, wenn man von dem Müsli mal absieht.
Das kann doch nicht wahr sein! Frustriert schiebe ich die Packungen zur Seite, von denen eine gesünder als die andere aussieht. Wenn er wenigstens etwas mit Schokostückchen hätte. Aber nein, von Birchermüsli über Nussmüsli zu gesunder Fruchtmischung hat er so ziemlich alles, was das Herz eines Vollwertkostjunkies begehrt. Ich schließe den Küchenschrank. Dann eben
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