Trau niemals einem Callboy! (German Edition)
vorbei, und ich verfluchte mein Pech. Mein Wagen hatte vor drei Tagen den Geist aufgegeben. Für immer. Einen neuen konnte ich mir nicht leisten. Ich war ja schon froh, wenn ich es schaffte, jeden Monat meinen Anteil an der Miete zu zahlen.
L. A. ohne Auto ist die Hölle, vor allem, wenn man mit einem fürchterlichen Kater in der Mittagshitze orientierungslos drauflosläuft.
Trotz der fehlenden Gebete schien Gott zumindest mein Jammern erhört zu haben, denn die Fata Morgana eines Starbucks-Zeichens flimmerte in der heißen Luft. Ich war gerettet. Ein riesiger Becher Kaffee war genau das, was ich jetzt brauchte.
Wenig später nippte ich mit geschlossenen Augen an dem heißen Getränk und genoss den kühlen Luftstrom, den mir die Klimaanlage ins Gesicht blies. Nur das Paradies konnte schöner sein. Ich beschloss, diesen Tag neu anzufangen. Sobald ich zu Hause war, würde ich das tun, was ich für dieses Wochenende geplant hatte. Nichts. Ich hatte vor, mich so wenig wie möglich zu bewegen und dafür so viel wie möglich zu faulenzen. Vater hatte mich gefragt, ob ich ihn besuchen würde, aber ich hatte keine Lust. Seine ewig wiederkehrenden Predigten hatte ich satt: »Du hast eine große Verpflichtung, verschwende nicht deine Zeit bei Castings für drittklassige Filme, spare dich lieber auf für den einen großen Film, der dir den Durchbruch bringen wird« und so weiter.
Als ich zehn Jahre alt war, starb meine Mutter, und mein Vater war plötzlich mit der Aufgabe konfrontiert, mich ganz alleine großzuziehen. Was nicht einfach war, denn er war selbst einmal mit einem Traum nach Hollywood gekommen. Als wir nur noch zu zweit waren, begrub er alle Ambitionen, ein erfolgreicher Regisseur zu werden, und begann, nachts als Bedienung in einem drittklassigen Restaurant zu arbeiten. Nachdem es ihm nicht gelungen war, seinen Traum umzusetzen, hatte er alles darangesetzt, wenigstens meinen zu verwirklichen. Die Schauspielerei war meine Waffe gegen die Trauer über den viel zu frühen Tod meiner Mutter. Als die schlimmsten Wunden verheilt waren, Jahre später, wurde sie zu einem leidenschaftlichen Ziel: Ich musste Schauspielerin werden.
Mein Vater unterstützte mich, wo er nur konnte: In seiner Freizeit gab er mir Schauspielunterricht. Er studierte etliche Rollen mit mir ein und suchte die Castings für mich aus, von denen er sich am meisten versprach. Trotz seiner Liebe fühlte ich mich erdrückt. Als ich achtzehn war, zog ich aus. Ich musste es auf eigene Faust versuchen. Ich brauchte Freiraum, um herauszufinden, was für ein Mensch ich war und wohin ich als Schauspielerin wollte. Jetzt, fünf Jahre später, reduzierten sich meine Ambitionen darauf, eine Rolle zu wollen, egal wie klein und egal in welchem Film.
Frustriert starrte ich in den Kaffeedampf. Meine Vorsätze, das Beste aus diesem Tag zu machen, schwanden, als ich an meine vergangenen Misserfolge dachte. Vielleicht war es an der Zeit, die sinnlosen Träume aufzugeben. Mit einem richtigen Job könnte ich mir wenigstens ein Auto und ein Frühstück leisten. Stattdessen saß ich mit knurrendem Magen im Starbucks und hoffte, Stace ginge endlich ans Telefon, damit ich sie bitten konnte, mich abzuholen. Erneut drückte ich die Wahlwiederholungstaste auf meinem Handy. Nichts.
Ich hatte gerade weitere fünf Minuten finster vor mich hin gestarrt, als die Tür aufging und ein warmer Luftstrom zu mir hinüberwehte. Mein Bettpartner der vergangenen Nacht betrat das Café und hoffte wahrscheinlich, ungestört einen Kaffee trinken zu können. Der hatte mir gerade noch gefehlt. Wütend fixierte ich ihn, während er sein Getränk bestellte und an der Theke wartete, bis der Barista den dampfenden Becher vor ihn hinstellte.
Man hätte meinen sollen, dass er meine Blicke spürte, sie mussten ihm ein Loch in den Rücken gebrannt haben, aber er schien mich überhaupt nicht wahrzunehmen. Selbst als er den freien Tisch ansteuerte, der neben mir stand, war er mehr damit beschäftigt, seinen Kaffee zu balancieren, als seiner unmittelbaren Umgebung Aufmerksamkeit zu schenken. Erst als er fast über meine provozierend ausgestreckten Beine gestolpert wäre, bemerkte er mich.
»Oh, hi.« Er starrte mich an, als hätte ich zwei Köpfe. Ohne ein Wort drehte ich mich zum Fenster und tat so, als sei die Aussicht auf den Parkplatz des winzigen Einkaufszentrums das faszinierendste Panorama, das ich je gesehen hatte.
»Auch einen Kaugummi?«, platzte er Sekunden später in meine Gedanken
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