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Trauerweiden

Trauerweiden

Titel: Trauerweiden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wildis Streng
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Straße in Richtung Rot am See. Der Himmel war heute bedeckt, und ein fordernder Wind rüttelte an den Ästen. Jetzt waren sogar die letzten Ausläufer des Sommers in den letzten Zügen. Zwar waren noch die meisten Blätter an den Bäumen. Aber die Blätter waren golden oder rotorange. Stellenweise hatten sich die Farben nun auch hin zu einem ungesunden Braun verändert. Und der Wind machte manche Äste kahl, sodass einige Obstbäume ziemlich gerupft aussahen.
    »Ist es noch weit?«, fragte Lisa, als sie das Ortsschild von Rot am See erblickte.
    Heiko schüttelte den Kopf. »Wir sind gleich da.«
    Und wirklich: an der Kreuzung stand ein Schild mit der Aufschrift »Muswiese«.
    »Steht das das ganze Jahr über da?«, fragte Lisa.
    »Das Schild ist genauso eine Institution wie die Muswiese selbst.«
     
    Sie parkten den M3 im Acker, was Lisa nicht einmal gewundert hatte. Sie hatte nämlich nicht wirklich einen Messeparkplatz erwartet. Während der Muswiese wurden einige Äcker kurzerhand zum Parkplatz erklärt. Besonders rentabel wurde es für die Bauern, wenn es während der Muswiese ordentlich regnete und die Autos im nassen Erdreich stecken blieben – dann mussten sie mit ihren Bulldogs ran, abschleppen. Lisa achtete darauf, mit den Trotteurs nicht in einen der zahllosen Dreckbollen zu treten. Immerhin waren die Schuhe neu. Das Paar lief in einem Pulk Menschen die Landstraße entlang und erreichte schließlich die ersten Ausläufer der Muswiese. »Die Ausstellung«, erklärte Heiko. Lisa stellte fest, dass es sich hier um eine ganz ähnliche Ausstellung wie auf dem Volksfest handelte. Nur, dass hier die Textilien– und Haushaltsquote noch höher war.
    »Hier, so was kriegsch noch zum Geburtstag«, meinte Heiko und wies auf eine lilafarbene Kittelschürze mit rosa und weißen Blümchen und Plastikknöpfen.
    Lisa schüttelte sich. »Wehe, du wagst es.«
    Heiko grinste.
    »Wer zieht denn so was an«, fragte sich die Kommissarin fassungslos.
    »Och du, so schlecht ist das gar nicht. Die Dinger sind schmutzabweisend, du kannst also damit backen, kochen und im Garten arbeiten, sie sind bei hohen Temperaturen waschbar, und wenn es sein muss, kann man die ganz schnell ausziehen.«
    Nun hatte der Kommissar einen Hieb zwischen den Rippen sitzen. »Ich geb dir gleich Gartenarbeit und Kochen und Backen und ganz schnell Ausziehen«, murmelte Lisa.
    In diesem Moment wurde ihre Aufmerksamkeit von einem anderen Stand angezogen.
    »Aber das ist was Tolles«, bestimmte sie und wies auf die dicken, naturfarbenen Socken aus »reiner Schurwolle.«
    »Die müssen Sie net mal waschen«, warb der Mann hinter dem Stand, kaum, dass er Lisas Aufmerksamkeit bemerkt hatte. Er war in einen dicken Norwegerpulli gehüllt – wahrscheinlich ebenfalls reine Schurwolle – und trug einen grauen Vokuhila und eine breite Goldpanzerkette um den Hals, was wiederum weniger ökomäßig wirkte. Trotzdem hatte er auch wegen der Frisur, die ein bisschen wie lange Hängeohren wirkte, etwas von einem Schaf. »Die reinigen sich nämlich selbst«, fuhr der Mann nun fort. »Und wenn, dann reicht Auslüften.«
    Lisa beschloss bei sich, die Socken trotzdem zu waschen. Wozu gab es denn das Wollprogramm an der Waschmaschine?
    »15 Euro für ein Paar?«, entrüstete sie sich, als sie das Preisschildchen las. Der Verkäufer setzte ein professionelles Grinsen auf.
    »Jahahaaah. Aber die haben Sie Ihr ganzes Leben lang, meine Hübsche, das ist Qualität. Hand-ar-beit.«
    Er klopfte im Takt seiner Worte auf das Schild mit der »Reinen Schurwolle«. »Handgestrickt, von glücklichen Schafen.«
    Lisa grinste. »Die Schafe haben die Socken gestrickt?«
    Der Mann schien für wenige Sekunden aus dem Konzept. »Neinnein, äh, die Wolle kommt von den Schafen … «
    Lisa kramte umständlich ihren riesenhaften Frauengeldbeutel aus der Handtasche.
    »Zwei Paar kosten fünfundzwanzig«, lockte der Verkäufer.
    »Wenn die aber doch ein Leben lang halten?«, schaltete sich nun Heiko ein. Ein Grinsen huschte dem Händler übers Gesicht.
    »Ja, aber für dich nehm ich noch ein Paar«, beschloss Lisa und suchte für Heiko noch braune Socken mit, wie sie fand, »ganz bezaubernden Rentieren«, heraus. Wie selbstverständlich drückte sie Heiko anschließend die Sockentüte in die Hand, was dieser mit einem Brummen quittierte. Toll. Nun musste er den ganzen Abend mit dieser peinlichen Tüte herumlaufen. Wobei er da ja wenigstens nicht der einzige Kerl war, die meisten Männer hielten

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