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Trauma

Trauma

Titel: Trauma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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Befehl, den man in einen Wolkenbruch brüllte.
    Ich wusste, dass ich Annie nicht im Stich gelassen hatte. Hierher zu kommen war von Anfang an ein hoffnungsloses Unterfangen gewesen. Dennoch hatte ich das Gefühl, sie im Stich gelassen zu haben, und meine Verzweiflung war so groß, dass ich nicht glaubte, stark genug zu sein, um zum Parkplatz zurückzugehen.
    »Das Foto«, sagte Lorrie plötzlich. »Der Scheißkerl hat noch Annies Foto.«
    Mehr musste sie nicht sagen. Ich begriff, weshalb die Haut rund um ihre Augen blass wurde, weshalb ihre Lippen sich vor Ekel zusammenpressten.
    Auch ich konnte die Vorstellung nicht ertragen, dass er allein
mit dem Foto meiner Annie in seiner Zelle hockte, sie mit dem Blick verschlang und seinen Durst nach Grausamkeit stillte, indem er sich ihren qualvollen Tod ausmalte.
    Als ich die Tür zum Besprechungsraum aufriss, war der Wärter gerade dabei, Punchinello vom Tisch loszuketten.
    Ich streckte die Hand aus. »Das Foto gehört uns.«
    Er zögerte, dann hielt er es mir hin, ließ es jedoch nicht los, als ich versuchte, es ihm wegzunehmen.
    »Was ist mit den Karten?«, fragte er.
    »Welche Karten?«
    »Die zum Geburtstag und zu Weihnachten.«
    »Ach, die.«
    »Hübsche, geschmackvolle Karten. Wie abgemacht.«
    »Wir haben keine Abmachung, du Arschloch!«
    Das Blut schoss ihm ins Gesicht. »Sagt man so was zu seinem Bruder?«
    Das meinte er offenkundig ernst.
    Weniger heftig fuhr er fort: »Schließlich haben wir unter anderem dieselbe Mutter, oder etwa nicht?«
    »Nein. Meine Mutter ist zu Hause in Snow Village und malt gerade einen Leguan.«
    »Heißt das, es gibt auch kein Geld für Süßigkeiten?«
    »Und keine Erdnussflips.«
    Meine Haltung schien ihn aufrichtig zu überraschen. »Und was ist mit den Taschenbüchern von Constance Hammersmith?«
    »Gib mir das Foto!«
    Er ließ es los. »Wir brauchen noch ein paar Minuten unter vier Augen, bitte«, sagte er zu dem Wärter.
    Der Wärter sah mich an. »Sir?«
    Unfähig, etwas zu sagen, nickte ich nur.
    Der Wärter zog sich zurück, um uns wieder durchs Fenster hindurch zu beobachten.

    »Habt ihr schon das Schriftstück mitgebracht, das ich unterschreiben soll?«, fragte Punchinello.
    »Ich habe drei Ausführungen in meiner Handtasche«, sagte Lorrie, die an der Schwelle des öden Raums stand, um mir die Tür offen zu halten. »Von einem guten Anwalt aufgesetzt.«
    »Komm rein«, sagte Punchinello. »Mach die Tür zu.«
    Lorrie trat zu mir an den Tisch, obwohl sie – wie ich – bestimmt argwöhnte, dass Punchinello uns auf den Arm nahm und nur wieder grausam abweisen wollte.
    »Wann wäre es so weit?«, fragte er.
    »Morgen früh«, antwortete ich. »Das Krankenhaus in Denver ist darauf vorbereitet. Wir müssen uns nur zwölf Stunden vorher melden.«
    »Unsere Abmachung …«
    »Die gilt noch immer, wenn du einverstanden bist«, versicherte ihm Lorrie und zog die Unterlagen und einen Kugelschreiber aus der Handtasche.
    Er seufzte. »Ich liebe diese Kriminalromane.«
    »Und Schokoriegel«, rief ich in Erinnerung.
    »Aber als wir das vereinbart haben«, sagte er, »wusste ich noch nicht, dass ich eine Niere verlieren würde, was sehr viel verlangt ist. Schließlich habt ihr ja schon meine beiden Hoden bekommen.«
    Wir warteten.
    »Ich habe nur noch einen zusätzlichen Wunsch«, fuhr er fort.
    Nun kam bestimmt die Pointe, damit er über unser Unglück lachen konnte.
    »Wir sind hier ganz unter uns«, erklärte er. »Keine Abhörvorrichtung, weil die Häftlinge hier normalerweise mit ihrem Anwalt sprechen.«
    »Das ist uns schon bekannt.«
    »Und ich bezweifle, dass uns der Trottel am Fenster da was von den Lippen ablesen kann.«

    »Was willst du?«, fragte ich mit der Gewissheit, dass es etwas sein würde, was ich unmöglich beschaffen konnte.
    »Ich weiß, du vertraust mir nicht so, wie du einem Bruder vertrauen solltest«, sagte er. »Deshalb erwarte ich es nicht von dir, bevor ich meine Niere hergebe. Aber sobald ich es getan habe, bist du dazu verpflichtet.«
    »Wenn es etwas ist, was ich tun kann.«
    »Ach, das kannst du bestimmt tun«, sagte er vergnügt. »Denk bloß mal dran, was du dem großen Beezo angetan hast.«
    Ich hatte nicht die leiseste Ahnung, was er meinte. Sollte das nun ein bösartiger Scherz oder ein echter Vorschlag werden?
    »Ich will, dass du Virgilio Vivacemente umbringst, diese Eiterbeule auf Satans Arsch«, sagte Punchinello. »Ich will, dass du ihn leiden lässt und ihm erklärst, dass ich es war, der

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