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Trauma

Trauma

Titel: Trauma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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Annie ab und zu aufwachte, sprachen wir über viele Dinge, über Schneeweißchen und Rosenrot, über unsere Reisen nach Disneyworld im nächsten und nach Hawaii im übernächsten Jahr und darüber, dass Annie Ski fahren und backen lernen wollte, aber nie vom Hier und Jetzt, nie von der dunklen Frage, was geschehen würde, wenn.
    Ihre Stirn fühlte sich warm an, ihre zarten Finger waren kalt. Die schlanken Handgelenke waren so mager geworden, dass es mir vorkam, als könnten sie brechen, wenn Annie es wagte, die Hand vom Laken zu heben.
    Philosophen und Theologen haben Jahrhunderte damit verbracht, über die Existenz und die Beschaffenheit der Hölle zu debattieren, aber damals im Krankenhaus wusste ich, dass es die Hölle gab und konnte sie beschreiben. Die Hölle war ein verlorenes Kind und die Furcht davor, es nirgendwo wiederzusehen.
    Die Bürokraten in Klinik und Gefängnis erwiesen sich als außerordentlich zuvorkommend und flink. Schon am Nachmittag traf Punchinello in einem Gefangenentransporter ein, in Hand-und Fußfesseln, unter den wachsamen Blicken von zwei bewaffneten Wärtern. Ich sah ihn nicht, sondern hörte nur davon.
    Tests wurden gemacht. Sie ergaben, dass er kompatibel war.
    Um sechs Uhr morgens sollte die Transplantation stattfinden.
    Die Mitternacht dieses schrecklichen Tages war noch viele Stunden weit entfernt. Bis dahin konnte Punchinello es sich immer noch anders überlegen – oder fliehen.
    Um halb neun rief mein Vater aus Snow Village an, um Opa Josefs Prophezeiung auf unerwartete Weise zu erfüllen. Nachdem Oma Rowena sich vor dem Abendessen zu einem Nickerchen hingelegt hatte, war sie friedlich im Alter von sechsundachtzig Jahren entschlafen.
    Gegen meinen Willen zog Lorrie mich auf den Flur, um mir das mitzuteilen, damit Annie nichts mitbekam.

    Für eine Weile setzte ich mich in einem leeren Krankenzimmer auf einen Stuhl, damit Annie nicht meine Tränen sah und Angst bekam, ich würde sie für sie vergießen.
    Mit dem Handy rief ich meine Mutter an, und wir sprachen ein wenig über Oma Rowena. Natürlich trauert man um eine Mutter und Großmutter, aber wenn deren Leben sehr lang und glücklich war und wenn das Ende ohne Schmerz und Furcht gekommen ist, dann wäre es fast blasphemisch, zu sehr zu trauern.
    »Was mich überrascht«, sagte meine Mutter, »ist, dass sie so kurz vor dem Abendessen gegangen ist. Wenn sie gewusst hätte, was geschehen wird, dann hätte sie sich erst nach dem Essen hingelegt.«
    Mitternacht kam. Und das Morgengrauen.
    Da Annies Zustand sich ständig verschlechterte, sodass sie womöglich schon am nächsten Tag zu schwach für eine Operation gewesen wäre, begann die Transplantation keine Minute zu früh um sechs Uhr morgens.
    Punchinello machte keinen Rückzieher.
    Einige Stunden später besuchte ich ihn in seinem Zimmer, wo er ans Bett gefesselt war und von einem Wärter bewacht wurde. Dieser trat in den Flur, damit wir uns ungestört unterhalten konnten.
    Obwohl ich das Wesen dieses Ungeheuers nur zu gut kannte, brach meine Stimme vor Gefühl, als ich sagte: »Ich danke dir.«
    Er zauberte sein Filmstarlächeln aufs Gesicht, zwinkerte und sagte: »Du brauchst dich nicht zu bedanken, Brüderchen. Ich freue mich auf Geburtstagskarten, Süßigkeiten, Kriminalromane … und darauf, dass ein niederträchtiger Trapezkünstler mit einer glühenden Zange gefoltert und bei lebendigem Leib verstümmelt wird. Natürlich nur, wenn du bereit bist, die Sache auf diese Weise durchzuführen.«
    »Ja, hört sich ganz gut an.«

    »Schließlich will ich deine Kreativität nicht zu sehr beeinflussen. «
    »Mach dir keine Sorgen. Sag nur, wie du es haben willst.«
    »Vielleicht könntest du ihn an die Wand nageln, bevor du anfängst«, schlug Punchinello vor.
    »In normalen Wänden halten Nägel schlecht. Ich muss wohl Dübel verwenden.«
    Er nickte. »Gute Idee. Und bevor du damit anfängst, ihm Finger und Hände und so weiter abzuhacken, schneide ihm doch erst mal die Nase ab. Er ist ein eitler Bastard, hat der große Beezo mir gesagt, und sehr stolz auf seine Nase.«
    »Na gut, aber wenn du noch weitere Vorschläge hast, sollte ich mir was zu schreiben holen.«
    »Das ist schon alles.« Punchinello seufzte. »Mensch, wäre das toll, wenn ich dabei sein könnte!«
    »Aber ehrlich«, sagte ich.
    Annie schwebte so reibungslos durch die Operation wie ein Heißluftballon am blauen Himmel.
    Im Gegensatz zum Spender war die Niere weder wahnsinnig noch bösartig. Vielmehr passte sie

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