Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Trauma

Trauma

Titel: Trauma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
Vom Netzwerk:
Gegend und leg irgendwelche Leute um, die dir zufällig in die Quere kommen. Sprich vorher mit mir, dann gebe ich dir eine Liste.«
    Die Ampel sprang auf Grün.
    Als wir die Kreuzung überquerten, grüßten uns drei lachende Halbstarke mit einer obszönen Geste. Sie trugen schwarze
Handschuhe, bei denen der Mittelfinger abgeschnitten war, um der Beleidigung Nachdruck zu verleihen. Einer von ihnen holte aus und schleuderte einen vereisten Schneeball, der hart an meine Tür prallte.
    Einen Häuserblock vom Krankenhaus entfernt war ich noch immer damit beschäftigt, über Punchinello nachzubrüten und mir Sorgen um Annie zu machen. »Er wird sich drücken«, sagte ich.
    »Abgelehnt.«
    »Weil das der vierte meiner fünf schrecklichen Tage ist.«
    »Im Gefängnis war es doch eine ganze Weile ziemlich schrecklich. «
    »Nicht schrecklich genug. Es kommt noch schlimmer. Wenn man an die anderen Tage denkt, muss das einfach so sein.«
    »Denk an die Kraft des negativen Denkens«, sagte Lorrie warnend.
    Trotz des Gebläses bildete sich langsam eine Eiskruste auf den Scheibenwischern, die nur noch ruckhaft übers Glas glitten.
    Es war Ende November, der Tag vor Thanksgiving, aber ich fühlte mich wie mitten im eisigen Januar. Oder auch wie an Halloween.

62
    Leutnant Knuddel, der tapfere Schutzbär, der nächtliche Monster daran hinderte, aus dem Kleiderschrank zu kriechen und an Kindern zu knabbern, lag neben Annie im Krankenbett. Dies war die schwierigste Aufgabe seiner militärischen Laufbahn.
    Als wir ins Zimmer kamen, schlief unsere Tochter. Da sie in letzter Zeit immer müde war, schlief sie viel. Zu viel.
    Annie hatte zwar keine Ahnung, wie nahe ihre Mutter vor elf Monaten dem Tod gekommen war, aber sie kannte die Geschichte des Anhängers mit der Gemme. Sie wusste, dass er ein verheerendes Feuer überstanden und dass ihre Mutter ihn auf der Intensivstation getragen hatte. Deshalb hatte sie darum gebeten, und nun trug sie ihn selber.
    Meine wunderschöne kleine Annie hatte sich hinter eine graue Maske aus fahler Haut und sprödem Haar zurückgezogen. Ihre Augen waren mit Sterblichkeit geschminkt, ihre Lippen bleich. Wie ein winziges altes Vögelchen sah sie aus.
    Es gelang mir nicht, mich mit einer Zeitschrift, dem Fernseher oder einem Blick aus dem Fenster abzulenken. Unablässig starrte ich auf meine kleine Tochter und sah sie vor dem geistigen Auge, wie sie einmal gewesen war und wie sie es vielleicht wieder sein würde.
    Etwas in mir sträubte sich, den Blick von ihr abzuwenden oder das Zimmer zu verlassen. Ich hatte Angst, bei meiner Rückkehr nicht mehr Annie anschauen zu können, sondern nur noch Fotografien aus der Vergangenheit.

    In diesen erschöpfenden Monaten voll Krankheit, Schmerzen und Verfall waren ihr unbeugsamer Lebenswille und ihr Mut stets eine Inspiration für mich gewesen. Aber ich wollte mehr als Inspiration, ich wollte sie – geheilt, gesund, voller Leben. Meinen Wildfang. Meine kleine professionelle Schleimscheißerin in spe.
    Meine Eltern haben mir nicht beigebracht, Gott um Wohltaten oder Vorteile zu bitten. Um Orientierung, ja, und um die Kraft, das Richtige zu tun, doch nicht um die richtigen Lottozahlen, auch nicht um Liebe, Gesundheit oder Glück. Ein Gebet ist kein Wunschzettel, denn Gott ist nicht der Weihnachtsmann.
    Wie man es mich gelehrt hat, vertraue ich darauf, dass wir alles erhalten, was wir brauchen, ohne darum zu bitten. Wir müssen den Verstand und die Weisheit haben, jene Stärken und Mittel zu erkennen, die uns zur Verfügung stehen; und wir müssen den Mut finden, zu tun, was getan werden muss.
    In diesem Falle hatten wir allerdings scheinbar alles getan, was wir nach menschlichem Ermessen tun konnten. Wenn Annies Schicksal nun in Gottes Hand gelegen hätte, wäre ich ruhiger gewesen. Aber ihr Schicksal schien in den Händen von Punchinello Beezo zu liegen, und in meinem Bauch flatterte wie ein geflügelter Schwarm die Angst umher.
    Deshalb bat ich Gott, mir meinen Wildfang zurückzugeben; ich bat ihn, dafür zu sorgen, dass Punchinello das Richtige tat, wenn auch mit der verwerflichen Absicht, sich dafür den Mord an Virgilio Vivacemente zu erkaufen.
    Selbst Gott brauchte womöglich einen guten Taschenrechner, um die Mathematik dieses moralischen Dilemmas zu kalkulieren.
    Während ich, gelähmt vor Angst, neben Annie saß, war Lorrie ständig in Bewegung. Sie machte Telefonanrufe, um den Kontakt zwischen der Klinik und den Beamten der Strafanstalt zu koordinieren.

    Wenn

Weitere Kostenlose Bücher