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Trauma

Trauma

Titel: Trauma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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gerechten Lohn bekam, hielt Oma doch an entscheidenden Punkten der Erzählung inne, um beispielsweise laut über die vielen grausigen Dinge nachzugrübeln, die den drei kleinen Schweinchen zugestoßen wären, wenn das Steinhaus des dritten nicht standgehalten hätte. Zu Würstchen verarbeitet zu werden, war noch das Mindeste.
    Und so kam kaum sechs Wochen nach meinem zwanzigsten Geburtstag die erste meiner Prüfungen heran …

TEIL ZWEI

Was soll die ganze Lebensmüh’, wenn ich nicht fliegen kann?

5
    Am Mittwoch, dem 14. September 1994, saßen meine Eltern und ich um neun Uhr abends am Esstisch, um uns derart den Bauch vollzuschlagen, dass wir gerade noch aufstehen konnten, ohne weiche Knie zu bekommen.
    Außerdem hatten wir uns versammelt, um noch einmal über die klügsten Strategien zu debattieren, wie wir den schicksalhaften Tag, der mich in drei Stunden erwartete, überstehen konnten. Wir hofften, dass ich gut vorbereitet und mit entsprechender Vorsicht in der Lage sein würde, den sechzehnten September so unversehrt zu erreichen, wie es die drei kleinen Schweinchen nach ihrer Begegnung mit dem Wolf sind.
    Oma war zu uns gestoßen, um den Standpunkt des Wolfs zu verkörpern. Das heißt, sie sollte den Advocatus Diaboli spielen und uns mitteilen, welche Schwachstellen ihr an unseren Vorkehrungen auffielen.
    Wie immer nahmen wir das Abendessen auf feinem Limoges-Porzellan, Marke Raynaud, mit Goldrand ein; das Besteck war aus Sterlingsilber und stammte von Buccellati.
    Angesichts dieser Tischutensilien muss ich darauf hinweisen, dass meine Eltern nicht reich sind, nur einigermaßen wohlhabend. Als Konditormeister verdient mein Vater zwar ganz gut, aber Aktienoptionen und Flüge mit irgendwelchen Firmenjets sind mit seiner Stellung nicht verbunden.
    Meine Mutter verdient ihr bescheidenes Teilzeiteinkommen in Heimarbeit. Sie malt Porträts von Haustieren, die deren Besitzer bei ihr bestellen. Hauptsächlich handelt es sich um Katzen
oder Hunde, aber auch um Kaninchen und Sittiche. Einmal hat ihr sogar eine Milchschlange Modell gelegen, die anschließend gar nicht mehr nach Hause wollte.
    Das kleine viktorianische Haus meiner Eltern könnte man als bescheiden bezeichnen, wenn es nicht so gemütlich wäre, dass man sich darin wie in einer Luxusvilla fühlt. Die Decken sind nicht hoch und die Zimmer nicht besonders groß, doch alles ist mit großer Sorgfalt und sehr bequem eingerichtet.
    Man konnte es Earl also nicht übel nehmen, dass er sich während der interessanten drei Wochen, in denen er uns adoptiert hatte, hinter dem Wohnzimmersofa versteckte, unter der Badewanne mit den Löwenpfoten, in einem Kleiderkorb, im Kartoffelkasten der Speisekammer und anderswo. Earl war die Milchschlange, und das Heim, aus dem er stammte, war ein steriles Haus mit Möbeln aus Edelstahl und schwarzem Leder, abstrakter Kunst und Kakteen als Zimmerpflanzen.
    Von all den reizvollen Ecken in diesem kleinen Haus, in denen man ein Buch lesen, Musik hören oder durch ein vielscheibiges Fenster auf einen glitzernden Wintertag blicken kann, ist keine so einladend wie das Esszimmer. Das liegt daran, dass unsere Mahlzeiten – und die unbeschwerte Heiterkeit, die sich dabei entfaltet – für uns die Nabe darstellen, um die sich unser Lebensrad dreht.
    Daher der Luxus von Limoges und Buccellati.
    Angesichts der Tatsache, dass wir unfähig sind, uns zu einem Abendessen mit weniger als fünf Gängen niederzulassen, und dass wir die ersten vier, bei denen wir ordentlich zuschlagen, nur als Vorbereitung für den fünften betrachten, ist es ein Wunder, dass keiner von uns übergewichtig ist.
    Als Dad einmal bemerkt hat, dass ihm sein bester Schurwollanzug an der Taille eng geworden war, verzichtete er ganze drei Tage lang aufs Mittagessen, und schon saß die Hose wieder locker.
    Moms Koffein-Toleranz ist nicht die auffälligste Merkwürdigkeit, was unser ungewöhnliches Verhältnis zum Thema Essen angeht. Beide Seiten der Familie, die Linie Tock und die Linie Greenwich (das ist der Mädchenname meiner Mutter), besitzen einen Stoffwechsel, der so gut funktioniert wie der eines Kolibris. Diese Vögelchen können dreimal täglich ihr Körpergewicht zu sich nehmen und bleiben trotzdem leicht genug, um fliegen zu können.
    Mom hat einmal gesagt, sie und mein Vater wären wohl teilweise deshalb sofort aufeinandergeflogen, weil sie unterschwellig gespürt hätten, denselben fantastischen Stoffwechsel zu besitzen.
    Das Esszimmer ist mit einer

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