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Trauma

Trauma

Titel: Trauma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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sie in besorgtem Tonfall: »Entschuldigung. Regt dich das auf, Schatz?«
    »Überhaupt nicht, Oma.«
    »Es ist die simple Wahrheit, fürchte ich.«
    »Ich weiß, Oma.«
    »Er würde dich auslöschen.«
    »Zweifellos«, stimmte ich zu.
    »Aber das ist so ein endgültiger Ausdruck – auslöschen .«
    »Plastisch ist er auf jeden Fall.«
    »Ich hätte nachdenken sollen, bevor ich den Mund aufgemacht hab. Ich hätte zermalmen sagen sollen.«

    Im flackernden Kerzenlicht sah Omas Lächeln aus wie das der Mona Lisa.
    Ich streckte den Arm über den Tisch, um ihre Hand zu tätscheln.
    Als Konditor, der viele verschiedene Zutaten in genau der richtigen Menge zusammenmischen muss, hat mein Vater vor Dingen wie Mathematik und Vernunft größeren Respekt als meine Mutter und meine Großmutter. Die beiden haben ein eher künstlerisches Temperament und sind der Logik weniger sklavisch verpflichtet als er. »Weshalb«, fragte er, »sollte jemand wohl einen Safe in den obersten Stock des Alpine Hotels schaffen?«
    »Tja, natürlich, um seine Wertsachen darin aufzubewahren«, sagte Oma.
    »Welche Wertsachen?«
    »Die Wertsachen des Hotels.«
    Obwohl Dad aus solchen Wortgefechten nie siegreich hervorgeht, hofft er immer, am Ende werde die Vernunft doch siegen, wenn er nur hartnäckig genug seine Position vertritt.
    »Wieso«, fragte er, »sollte man einen großen, schweren Safe denn nicht einfach im Erdgeschoss aufstellen? Wieso sollte man sich die Mühe machen, ihn mit dem Kran in den obersten Stock zu hieven?«
    Meine Mutter erwiderte: »Weil sich die Wertsachen zweifellos genau dort im obersten Stock befinden.«
    In solchen Augenblicken bin ich nie ganz sicher, ob meine Mutter die schräge Perspektive ihrer Mutter doch mehr als nur ein wenig teilt, oder ob sie meinen Vater nur auf den Arm nimmt.
    Ihr Gesicht ist arglos. Ihr Blick weicht nie aus und ist immer völlig klar. Sie ist von Natur aus eine freimütige Frau. Ihre Gefühle sind zu offensichtlich, um falsch gedeutet zu werden, und ihre Absichten sind niemals zweideutiger Art.

    Aber, wie Dad sagt, für eine von Natur aus so bewundernswert offene und direkte Person kann sie erstaunlich undurchschaubar werden, wenn sie der Hafer sticht, und zwar so schnell, wie es dauert, einen Lichtschalter umzulegen.
    Das ist eines der Dinge, die er an ihr liebt.
    Unsere Unterhaltung setzte sich fort, während wir einen Endiviensalat mit Birnen, Walnüssen und gewürfeltem Gorgonzola genossen, gefolgt von Filet Mignon auf einem Bett von Kartoffel-Zwiebel-Pfannkuchen, garniert mit Spargel.
    Noch bevor Dad aufstand, um den Dessertwagen von der Küche hereinzurollen, waren wir übereingekommen, dass ich mich während des bedeutungsschweren Tags, der vor mir lag, wie an einem gewöhnlichen freien Tag verhalten sollte. Mit Vorsicht. Aber mit nicht zu viel Vorsicht.
    Mitternacht kam.
    Der fünfzehnte September begann.
    Vorerst geschah gar nichts.
    »Vielleicht passiert doch nichts«, sagte Mom.
    »Irgendwas passiert bestimmt«, widersprach Oma und schmatzte mit den Lippen. »Irgendwas bestimmt.«
    Wenn ich am kommenden Abend um neun Uhr nicht »ausgelöscht« oder zumindest übel zugerichtet war, dann würden wir am selben Ort wieder zum Dinner zusammenkommen. Gemeinsam würden wir das Brot brechen, dabei jedoch wachsam auf den Geruch von Erdgas und das Dröhnen eines herabstürzenden Verkehrsflugzeugs achten.
    Nach einem Petit Dessert, gefolgt von einem richtigen Dessert, gefolgt von Petits Fours, jeweils begleitet von Strömen von Kaffee, fuhr Dad zur Arbeit und ich half dabei, die Küche aufzuräumen.
    Um halb zwei Uhr morgens zog ich mich schließlich ins Wohnzimmer zurück, um ein neues Buch zu lesen, auf das ich
sehr gespannt war. Ich bin ein großer Fan von Krimis, in denen es um Mord und Totschlag geht.
    Schon auf der ersten Seite wurde ein in seine Einzelteile zerlegtes Opfer entdeckt, das man in einen Schrankkoffer gepackt hatte. Sein Name war Jim.
    Ich legte das Buch weg, wählte aus dem Stapel auf dem Couchtisch ein anderes aus und ging zu meinem Sessel zurück.
    Auf dem Schutzumschlag starrte mich eine wunderschöne tote Blondine an. Sie war mit einem antiken japanischen Kimonogürtel erwürgt worden, den man farbenprächtig um ihren Hals geknotet hatte.
    Das erste Opfer hieß Dolores. Mit einem zufriedenen Seufzer machte ich es mir gemütlich.
    Oma saß auf dem Sofa und war damit beschäftigt, einen Kissenbezug zu besticken. Schon in ihrer Jugend hatte sie es in der Kunst der

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