Traumfabrik Harvard
erfolgreich absolvierten semesterlangen Kurs und jedes größere Projekt gibt es einen
credit
, und je nach Hochschule und Studienprogramm hat man mit dem Erwerb von 28 oder 46 solcher
credits
den Bachelor geschafft. Im europäischen Hochschulraum braucht man dafür 180
credits
, die sich aus unterschiedlich gewichteten, teils kleinteiligen Modulen und Veranstaltungssequenzen ergeben
.
Qualität, hofft man hier, erwächst aus einer möglichst hoch auflöslichen Blaupause des Studienplans. Bauen im Bologna-Raum
die Bauingenieure das Haus der Lehre, vertraut man dessen Entwurf und Gestaltung in den USA lieber Architekten an.
7.
Ziele und Aufgaben der Hochschulen
: Mit dem berühmt-berüchtigten »Öffnungsbeschluss« von 1977 begann im bundesdeutschen Hochschulwesen eine lange Zeit der Mangelverwaltung,
Desorientierung und Lustlosigkeit. Die schon vorher oft beschworene »Krise der Universität« wurde chronisch. Wellen von Hochschulreformen
zogen übers Land, bis alle ihrer überdrüssig wurden. Ein Gefühl von Stillstand machte sich breit. Den überlasteten, unterfinanzierten
Hochschulen waren die Hände gebunden, sich selbst aus der Misere herauszuarbeiten – teils durch das strikte staatliche Reglement,
teils durch die eigene Verunsicherung über ihre künftige Rolle und Gestalt. Das alte Drehbuch taugte nicht mehr, und als »Quellgrund
der materiellen und geistig-kulturellen Wohlfahrt der Gesellschaft« (Breinig u.a. 2001: 3) waren sie so ausgetrocknet, dass
die meisten Hochschulfunktionäre lieber in die lauten Klagen über das Fehlen einer »richtungsweisenden Leitidee« einstimmten,
anstatt sich selbst auf den Weg an neue Ufer zu machen. Schließlich gingen Hochschulen in Deutschland einem gesetzlichen Auftrag
nach, wofür sie vom Staat alimentiert wurden.
Das alles ist bekannt. Der vergleichende Blick von Amerika zurück lässt die Kontraste allerdings besonders scharf hervortreten:
Diskussionen über Hochschulen und Versuche zu ihrer Standortbestimmung haben in Deutschland häufig einen fundamentalistischen
Beiklang, in den sich neuerdings |240| immer schrillere technokratische Töne einschleichen. In der breiten Öffentlichkeit wie innerhalb des eigenen Sprengels stehen
Themen auf der Tagesordnung, die in den USA kaum eine Fußnote abgeben würden: Die akademische Welt beschäftigt sich intensiv
und extensiv mit der definitorischen Abgrenzung verschiedener Hochschultypen, rechtet über die Legitimität institutioneller
Differenzierung, beklagt die sinkende Motivation und Kenntnisse der Studienanfänger sowie die Verflachung und Verschulung
des Studiums. Ihre Organisationen rufen nach einer neuen Aufgabenbestimmung für die Hochschulen und sehnen eine zukunftsweisende
»Identitätsformel« herbei. Die staatliche Politik drischt emsig das Stroh von Berufsbefähigung, Spitzenforschung und internationaler
wirtschaftlicher Wettbewerbsfähigkeit, Innovation und Wertschöpfung. Und zwischendrin sehen die einzelnen Einrichtungen zu,
wo sie gerade bleiben können.
In den USA sind im bunten Feld der
higher education
zwar etliche Leitmotive am Werk, doch im Unterschied zu Deutschland gibt es dort keinerlei verbindliche Leitidee für die Aufgaben
und den Charakter einer Hochschule. Ganz oben auf der Themenliste der Politik und öffentlichen Debatten steht die Kostenfrage,
das heißt, was getan werden kann und sollte, um das Hochschulstudium materiell erschwinglich zu halten, dicht gefolgt von
access and equity
, dem Gerechtigkeitsthema. Alle weiteren Problemzonen, die Hochschulforscher auf ihren Radarschirmen geortet haben, 98 sind sehr handfest: Abstimmungs- und Übergangsprobleme zwischen Schule und Hochschule, Studienerfolgsquoten und Studienabbrecher,
Beschäftigungsaussichten und Arbeitsverhältnisse der Dozenten sowie die Folgen des
academic capitalism
. Für die Fragen, die deutsche Gemüter bewegen und beschäftigen, gibt es in den USA keinen rechten Resonanzboden, denn ob
Hochschulen eine wichtige Aufgabe wahrnehmen, zeigt sich in der Nachfrage nach einem Studienplatz, ob sie ihre Arbeit richtig
gemacht haben, in der Zufriedenheit und in den Karrieren ihrer Absolventen. Was eine
university
definiert und was sie einem College an Rechten voraushaben darf, interessiert niemanden, weil der Wettbewerb immer neue hybride
Typen von Hochschulen hervorbringt, die ihren Platz auf dem Markt finden müssen. Wenn das einigen besser als anderen gelingt,
haben sie eben
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