Traumfabrik Harvard
stammt.
6.
Quality oder Qualitätssicherung
: Von der (unterschiedlichen) Qualität der Hochschulen und ihrer Leistungen ist in Deutschland erst seit wenigen Jahren die
Rede. Vorher begnügte man sich damit, dass gesetzliche und administrative Vorschriften eine bestimmte Qualität
ex ante
garantierten – Berufungsanforderungen die von Professoren, Zulassungsvoraussetzungen die von Studenten, Rahmenprüfungs- und
Studienordnungen die der Lehre, Verfahrensordnungen die von Entscheidungen in »akademischen Angelegenheiten«. Die Qualität
der Ergebnisse wurde nicht überprüft – und war ja eigentlich auch uninteressant, weil überall dieselben Regeln galten. Alle
Universitäten hatten nach dieser Logik dieselbe Güte, Fachhochschulen eine andere. Dieses Syndrom ist zwar brüchig geworden.
Qualitätsunterschiede zwischen den verschiedenen Hochschulen werden nicht länger glatt gebügelt oder gar verschwiegen. Aber
gemessen werden sie meist nur an Forschungsleistungen, wie sie sich in Drittelmittelbilanzen und Zitationen widerspiegeln.
Hochschulrankings werden inzwischen eifrig studiert und viel beachtet, haben sich aber noch nicht in eine Differenzierung
der hochschulischen |238| Landkarte übersetzt, weil Studienanforderungen und das Profil der Studentenschaft für das Wettbewerbsszenario und für die
Qualitätswahrnehmung von Hochschulen in Deutschland derzeit noch keine große Rolle spielen. Im Tagesgeschäft hat das Qualitätsmanagement
Hochkonjunktur – es wird evaluiert und akkreditiert was das Zeug hält. Doch optimiert, attestiert und zertifiziert wird nur
die
Sicherung
der Qualität, nicht aber diese gemessen.
In den USA verhält es sich damit genau andersherum. Das institutionelle Arrangement hat hier dafür gesorgt, dass Qualitätsunterschieden
– vermeintlichen wie tatsächlichen – stets ein zentrales Augenmerk galt. Sie bestimmen die öffentliche Wahrnehmung einzelner
Hochschulen wie auch hochschulpolitische Auseinandersetzungen. Wie Hans Weiler treffend bemerkte, ist die »Bewertung, Messung
und Interpretation von Qualität […] ein Dauerbrenner des akademischen Diskurses« (2004: 27), und seine Hitze reicht weit über
akademische Gefilde hinaus. Innerhalb der Hochschulwelt wird das Streben nach Qualität und »Distinktion« durch eine Flut von
Wettbewerben, Preisen und Auszeichnungen angespornt, die ein glänzendes Licht auf die Gewinner und ihre Heimatuni werfen.
Das Publikum will wissen, welches die besten Hochschulen in den jeweiligen Ligen sind, welche das beste Preis-Leistungs-Verhältnis
bietet, welche sich auf den Tabellenplätzen der Rankings emporkämpfen konnte und welche Abstiege es dort gab, und die Politik
insistiert mehr und mehr darauf, die Ergebnisse ihrer Arbeit messbar zu machen.
Trotz der vielen Verzerrungen, die aus der Fixierung auf Prestige- und andere, mit ihrem Kerngeschäft unverbundene Erfolgssignale
resultieren, ist der Hochschulwettbewerb in den USA daher in erster Linie ein qualitätsorientierter. Das besagt natürlich
nicht, dass amerikanische Hochschulen besser sind als die deutschen. Doch weil sie der Wettbewerb zwingt, sich fortlaufend
mit den anderen zu vergleichen, müssen sie über ihre Leistungen Bescheid wissen und ihre Ansprüche kennen – was wieder auf
Organisation und
agency
verweist.
Der unterschiedliche Umgang mit Qualität findet interessanterweise auch in der Lehre seinen Niederschlag. So nimmt man in
allen Elite-Hochschulen, aber nicht allein dort, die Überprüfung und Fortentwicklung der Curricula sehr ernst. Über Lehrplankosmetik
geht das weit hinaus. Auch im Zuschnitt der Studienprogramme herrscht eine besondere Art von Qualitätsmanagment. So sind die
einzelnen Lehrveranstaltungen im
undergraduate
college
stärker standardisiert, als es in Deutschland bisher üblich |239| war. Sie müssen einem bestimmten Format genügen, das zu den Qualitätsansprüchen der Hochschule passt, und werden in der Regel
mehrere Jahre hintereinander angeboten, natürlich in modifizierter Form. Zugleich sind sie aber, wie die Studienprogramme,
oft sehr anspruchsvoll: Vom Dozenten wird ein detaillierter Kursplan (
syllabus
) erwartet, von den Studenten viel Arbeit. Weil man das Studium als Gesamtprozess betrachtet, dürfen die einzelnen Zutaten
nicht so kleinteilig sein, dass der Zusammenhang vor lauter Häppchen verschwindet und »Modulmanagement« zur Hauptbeschäftigung
der Studenten wird. Für jeden
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