Traumfrau ahoi: Roman (German Edition)
geglaubt, aber er war immer noch da. Lebte und atmete.
Sie bekam den Ärmel seines T-Shirts zu fassen und drehte ihn zwischen ihren langen Fingern hin und her. »Warst du schon mal kurz davor zu sterben, Max?«
Unzählige Male. »Ein- oder zweimal.«
Ein paar Sekunden verstrichen, und als sie fortfuhr, war ihre Stimme gerade so laut, dass Max sie über das Wüten der See hinweg hören konnte. »Ich bin einmal beinahe gestorben. Es war entsetzlich, und so etwas will ich nicht noch einmal durchmachen.« Ihr Kopf war so nahe an seiner rechten Schulter, dass er fast ihren warmen Atem an seinem Arm spüren konnte.
»Was ist passiert?« Er zog den Reißverschluss der Tasche auf und nahm eine Taschenlampe heraus.
»Auf der Toilette von der Tavern on the Green ist mein Herz stehen geblieben.«
Er richtete die Taschenlampe auf ihre Schulter. Im Lichtkegel waren ihr Mund und Babys Kopf zu sehen. Der kleine Hund zitterte am ganzen Körper. Max betrachtete die Schatten, die über ihrem Gesicht lagen, und er fragte sich, ob sie einen angeborenen Herzfehler oder etwa zu viele Drogen genommen hatte. »Was ist passiert?«, wiederholte er.
»Ich hatte mich mit Hummer und Kartoffelpüree mit extra viel zerlassener Butter voll gestopft und mir dann wie üblich den Finger in den Hals gesteckt«, erklärte sie, als spreche sie über etwas völlig Alltägliches. »Mein Elektrolyt-Haushalt geriet total durcheinander, und das schlug mir aufs Herz. Es war nicht das erste Mal, dass ich bewusstlos wurde, aber das erste Mal, dass mir dabei das Herz stehen blieb.«
»Du wärst um ein Haar beim Kotzen gestorben?«
»Ja.«
Max empfand so großen Abscheu vor dem Erbrechen, dass er sich keinen Menschen vorstellen konnte, der es mit Absicht herbeiführte. »Du hast dir den Finger in den Hals gesteckt? Wozu das denn?«
Er betrachtete ihren Mund, während sie nüchtern erklärte: »Um schlank zu bleiben. Der Elfen-Look war in, und von Natur aus bin ich leider keine Elfe.« Der Bug der Jacht hob und senkte sich, und sie krallte die Finger noch fester in sein Hemd. Sie redete erst weiter, als die Dora Mae sich wieder ausgerichtet hatte. Max hörte die Angst in ihrer Stimme. »Einmal habe ich gesehen, wie ein Mädchen auf einer Party im Nepenthe in Mailand eine Überdosis genommen hat. Heroin. Viele Mädchen nehmen Heroin, um schlank zu bleiben. Ich nicht. Ich habe gehungert oder gekotzt.«
»Gütiger Himmel«, flüsterte er in die dunkle Kajüte hinein. »Warum hast du dir nicht einen anderen Beruf ausgesucht?«
»Was denn? Ich habe nur einen High-School-Abschluss. Wie hätte ich ohne einen einzigen Tag auf dem College wohl sieben Millionen im Jahr verdienen können?« Ihr Lachen klang freudlos. »Es war ja nicht nur übel, Max. Es gab auch einiges, was ich an meinem Beruf geliebt habe. Ich habe ein paar wunderbare Menschen kennen gelernt, mit denen ich auch heute noch befreundet bin. Habe unglaubliche Orte gesehen. Ich hatte die Möglichkeit, als Sprecherin für bedeutende Ziele aufzutreten, und meine Model-Karriere hat mir die Tür zu meinem Dessous-Unternehmen geöffnet.« Draußen heulte der Wind, und Lola lehnte die Stirn an Max’ Schulter. Sie redete weiter, als könnte sie damit verhindern, dass sie untergingen. »Andere Dinge an diesem Beruf hingegen konnten einen regelrecht abhängig machen. Das Geld. Die Reisen. Die Kleider. Die Aufmerksamkeit. Es ist schwer, das alles aufzugeben,
Max. Ein Niemand zu werden, wenn man ganz oben war.« Lola erzählte über ihre Genesung von der Bulimie und dass ihre Essstörung nicht darauf zurückzuführen war, dass ihr etwas im Leben fehlte oder sie als Kind missbraucht worden war, sondern vielmehr auf ihr Streben nach Perfektion.
»Hast du keine Angst vor einem Rückfall?«, fragte Max.
»Manchmal schon, aber ich darf mich auch nicht übermäßig mit dem Gedanken daran beschäftigen. Ich muss einfach wie ein normaler Mensch essen und darauf achten, dass ich nicht zu plötzlich zu sehr zu- oder abnehme.« Baby zappelte, und Lola hob die Hand und kraulte seinen Kopf. »Ich darf nicht vergessen, dass Kontrolle und Perfektion Illusionen sind und dass ich mit meinem Körper zufrieden sein kann«, sagte sie. »Ich muss nicht perfekt sein.«
»Lola, du bist perfekt.«
»Nein, aber ich lerne allmählich, mit meinen Oberschenkeln zu leben.«
»Deine Oberschenkel sind perfekt.« Er konnte kaum glauben, dass er dieses Gespräch ausgerechnet mit Lola Carlyle führte. Und unter anderen Umständen hätte
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