Traumfrau (German Edition)
spürte er bereits die Nähe einer scheuen, asiatischen Schönheit. Ihr Lächeln hatte etwas Unterwürfiges. Sie machte einen Knicks und senkte den Blick. Mit einer großzügigen Geste deutete er ihr an, dass sie vor ihm keine Angst zu haben brauchte. Sie sollte ihm gerade in die Augen sehen können. Furchtlos. Er war ein Kavalier. Jawohl.
Im Haus steckten sie die Köpfe näher zusammen. Hans Wirbitzki sprach aus, was alle fürchteten:
„Und was, wenn unsere Frauen Wind von der Sache kriegen?”
„Das dürfen sie nicht.”
„Das werden sie auch nicht.”
Hermann Segler fand seine Idee großartig, und alle nickten, als er sagte:
„Man kann sich praktisch eine Frau aussuchen wie im Katalog. Man bekommt genau das, was man haben will. Sie kann kleiner sein oder größer, man kann die Hautfarbe bestimmen und ihre Religion. Es liegt völlig an uns, welche wir nehmen ...”
„Natürlich.”
„... warum nehmen wir dann nicht eine Stumme?”
„Eine Stumme?” Noch während Wolfhardt Paul die Frage aussprach, begriff er warum und grinste.
„Ja, genau. Eine Stumme! Wir brauchen dann nie zu befürchten, dass sie irgendetwas ausplaudert. Deutsch würde sie über kurz oder lang doch lernen.”
Hans Wirbitzki knallte sein Bierglas auf den Tisch:
„Das ist genial. Wir nehmen eine Stumme.”
„Außerdem ist eine Stumme bestimmt billiger ... Wer nimmt schon eine behinderte Thailänderin?”, murmelte Martin Schöller.
„Wieso behindert?”, brauste Wirbitzki auf. „Nein, nein, sie soll schon bildhübsch sein, so wie die hier, nicht im Rollstuhl sitzen oder was. Sie soll nur eben nicht sprechen können.”
„Jaja, Hans, wir verstehen uns. Aber wenn jemand nicht sprechen kann, dann ist das eine Behinderung. Und das drückt den Preis nach unten, wollen wir wetten? Am besten mach ich einen Termin und rede mal persönlich mit dem Chef von diesem Institut.”
„Du bist ein Mordskerl”, gestand Wolfhardt Paul und klopfte Martin Schöller auf die Schulter. Martin strahlte übers ganze Gesicht. Endlich hatte er die volle Anerkennung dieser Männer.
Hermann Segler köpfte eine neue Flasche Bier und trank in langen Zügen. Jetzt, da er wusste, dass sie eine Stumme bestellen würden, stoppte sein Schweißausbruch. Er fühlte sich erleichtert. Wie befreit.
9
Das leichte Zittern ihrer Hand ließ die Kaffeetasse auf dem Porzellanteller vibrieren. So entstand ein schriller Ton, der langsam näher kam und erst durch das harte Aufsetzen des Porzellans auf die Glasplatte klirrend beendet wurde. Jetzt schraubte sie die Warmhaltekanne auf. Das lang gedehnte Quietschen des Hartgummiverschlusses klang wie Stöhnen. Gluckernd prasselte der Kaffeestrahl in die Tasse, so dass sie noch einmal auf dem Unterteller in Bewegung geriet und leise zu wimmern begann.
Er hielt die Augen weiterhin geschlossen. Sie schraubte die Thermoskanne wieder zu und ihr Atem rasselte. Dass sie bei ihrer Kurzatmigkeit überhaupt die Treppen bis zu ihm hochkam, wunderte ihn immer wieder. Jetzt tröpfelte sie Milch in die Kaffeetasse und schüttete zwei gehäufte Teelöffel Zucker hinterher.
Nun rührte sie endlos um. Bei jeder Umdrehung ließ sie den Löffel unerträglich laut am Porzellan entlangkratzen. So entstand ein gleichmäßiges Klingeln, bis die Tasse erneut den Unterteller auf der Glasplatte in Schwingungen versetzte. Sie ließ den Löffel los. Er schepperte gegen den Tassenrand. Der vom Rühren entstandene Strudel reichte aus, um den Löffel noch eine Runde an der Tassenwand entlangschleifen zu lassen.
Sie klapperte mit ihren Pumps über die Holzdielen zum Fenster und schon quietschte die Halterung der Rollläden trocken im Gewinde. Sie ratterten hoch und ließen den Straßenlärm herein.
Zum Glück war es verpönt, sonntags morgens Rasenmäher zu benutzen. Dafür wusch auf der anderen Straßenseite der Sohn des Bürgermeisters für ein angemessenes Taschengeld den Wagen seines Vaters. Mit geöffneten Türen und lauter Radiomusik, versteht sich.
Die für die Phonzahl viel zu kleinen Lautsprecher des billigen Radios schrepsten metallisch. Jetzt hebelte Mutter das Kippfenster auf und meckerte:
„Hier stinkt es bestialisch! Den Geruch krieg ich gar nicht mehr raus! Warum machst du nicht wenigstens das Fenster auf, wenn du ...”
„Mutter – bitte! Nicht so laut. Ich habe Kopfschmerzen!”
Martin Schöller sagte das in der irrigen Hoffnung, er könne sie damit zum Schweigen bringen. Doch noch während er den Satz aus dem trockenen
Weitere Kostenlose Bücher