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Traumfrau (German Edition)

Traumfrau (German Edition)

Titel: Traumfrau (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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Hermann Segler, Udo Tiedemann, Helga Paul, die Tochter von Wolfhardt, und Manfred, der Sohn des Bürgermeisters. Manfred hatte echte Paddel vom Gummiboot seines Vaters mitgebracht, aber das Boot war angeblich undicht und musste erst noch repariert werden. Sie glaubten Manfred kein Wort. Vermutlich wollte der Vater es nur nicht herausrücken. Dieter besorgte eine Wäscheleine, Udo ein paar Nägel, und aus Baumstämmen, Zaunlatten und Baubudenbrettern zimmerten und schnürten sie sich ein Floß zusammen. Ein richtiges Floß! Groß genug für sie alle, unsinkbar wie die Titanic, machte es sie zu den unumschränkten Herrschern über den Baggersee. Mitten auf dem See befand sich eine kleine Insel aus Lehm und Sand, ihr Stützpunkt. Helga hatte eine angebrochene Packung HB mitgebracht, und auf der Insel rauchten sie die ersten Zigaretten, wie Verschwörer, fühlten sich als Abenteurer, als Piraten, als Herrscher über die Sieben Weltmeere.
    Als seine Mutter im Kittel am Ufer auftauchte, mit wilden Gesten nach ihm rief und Jesus, Maria und alle toten Verwandten beschwor, ihren Jungen zu beschützen, wäre er vor Scham fast krepiert. Die anderen erwarteten, dass er seiner Mutter jetzt eine scharfe Antwort gab, sie aufforderte, ihn endlich in Ruhe zu lassen. Vielleicht hätte er es auch geschafft, aber Udo sagte abfällig: „Ach du Scheiße, deine Mutter”, so dass Martin vom blutrünstigen Piraten schlagartig wieder zum braven Sohnemann wurde. Seine Mutter jammerte und wehklagte am Ufer, und er wusste nicht, ob er sie im Moment mehr hasste oder bemitleidete. Er stieg aufs Floß, um zu ihr zurückzuschippern, und was das Schlimmste war: Alle anderen mussten mit, sonst hätten sie zurückschwimmen müssen.
    Die ängstlichen Rufe seiner Mutter „Vorsicht, Vorsicht! Um Himmels willen! Wie könnt ihr nur!” gellten so schmerzhaft in seinen Ohren wie die Schreie „Schwabbel, Schwabbel!” während des Staffellaufs.
    Wenn sie ihn wenigstens geschlagen oder übel angeschnauzt hätte! Aber nein, sie drückte ihn an ihren dicken Busen wie ein Baby, das den Flammen entrissen worden war, weinte fast vor Freude, ihn lebendig wiederzuhaben, und schimpfte die anderen aus, weil sie ihn zu diesem gefährlichen Unfug angestiftet hätten. Sein Nacken versteifte sich damals so sehr, dass er den Kopf tagelang nicht bewegen konnte. Bis er von Helga wieder angesprochen werden konnte, ohne gleich einen feuerroten Kopf zu bekommen, vergingen Wochen. Dabei hatte er sich an diesem Tag am Inselstrand Helga näher gefühlt als je zuvor. Er fand sich nicht mehr dick und unsportlich und auch nicht mehr ängstlich. Er war ein stolzer Pirat und sie auf dem besten Weg seine Piratenbraut zu werden. Trotz all seiner Macken und Fehler lehnte Helga ihn nie wirklich ab. Aber ihre Art der Zuwendung konnte er nicht ertragen. Sie war von Mitleid bestimmt.
    Sie bewunderte Udo, weil er sich verwegen gab und wilde Ideen hatte. Dieter machte ihr manchmal die Hausaufgaben, und Manfred ließ sie auf seinem Pony reiten. Von ihm nahm sie Sahnebonbons an, obwohl die zwischen den Zähnen klebten.
    Martin verließ die Kirche mit dem Strom der anderen und hoffte, von niemandem angesprochen zu werden. Er hatte Glück. Mit beständigem Kopfnicken und freundlichem Grinsen kam er davon.
    Er musste jetzt handeln. Etwas tun. Sofort. Die Geschichte vorantreiben. Fragen, ob eine Stumme im Angebot war. Ein Preisnachlass musste drin sein. Und am besten noch eine Provision.
    Gleich türmten sich wieder Schwierigkeiten auf. Seine Eltern durften natürlich nichts davon erfahren. Ihren Kirchgang hatten Vater und Mutter schon hinter sich. Unwahrscheinlich, dass sie das Haus noch einmal verlassen würden. Das Telefon stand im Korridor auf dem Schuhschrank, vor dem Garderoben-sSpiegel. Wenn sich die Eltern in der unteren Etage aufhielten, konnten sie jedes Wort verstehen, das am Telefon gesprochen wurde. Zum Glück gab es keinen Gebührenzähler am Apparat, so konnte er, wenn er ungestört war, getrost ein Ferngespräch führen. Aber ungestört war er in diesem Haus nie. Die Telefonzelle im Dorf schied ebenfalls aus. Jeder würde sich fragen: Welchen Grund hat der Martin, von dort zu telefonieren, wo sie doch zu Hause einen eigenen Apparat haben?
    Die Telefonzelle stand auf dem Parkplatz vor der Linde, unmöglich, dort nicht gesehen zu werden. Er musste schon das Dorf verlassen und zu einer Telefonzelle in Brens oder Weierstadt gehen, um ungestört zu sein.
    Weil sonntags der Schulbus

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