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Traumfrau (German Edition)

Traumfrau (German Edition)

Titel: Traumfrau (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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abgestaubt werden. Die Decke im Wohnzimmer war fast grau, und im Flur musste ebenfalls tapeziert werden. Der Schuhschrank war altmodisch, und wie viele Bilder seiner Frau herumstanden, war ihm nie vorher aufgefallen. Er zog einen Sessel von der Wand in die Mitte des Wohnzimmers, zwang sich hinein und sah sich um. Er versuchte sich vorzustellen, Mary wäre hier.
    Gleich sprang er wieder auf. Natürlich, er musste Platz für ihre Sachen schaffen. Der Gedanke, dass sie ihre Wäsche in seinen Schrank legte, gefiel ihm. Aber nicht, dass sie direkt neben seiner weißen, baumwollenen Unterwäsche aufgestapelt wurde. Er räumte ein Regal für sie aus und eine Reihe im Schuhschrank. Während er abwog, was er von seinen eigenen Sachen wegschmeißen konnte und was er noch gebrauchen würde, fiel ihm wieder ein, dass sie ihr Zimmer oben hatte, da war Platz genug für alle Sachen. Außerdem käme sie vermutlich nicht mit viel Gepäck. Sie war arm. Er musste ihr erst neue Kleider kaufen. Sein Sparbuch war noch nicht komplett geplündert. Zu gern würde er ihr bei einem Einkaufsbummel beratend zur Seite stehen, Tüten tragen und die Rechnungen bezahlen. Er stellte sich vor, dass sie bescheiden vor zwei hübschen Kleidern stand und sich nicht entscheiden konnte. Mit großzügiger Geste würde er sagen: „Hast du schon einmal daran gedacht, beide zu nehmen?” Vielleicht würde sie die Worte nicht verstehen, aber ihren Klang und seine Handbewegungen. Dann würde er beides zur Kasse tragen und wortlos sein Portemonnaie zücken. Mit dankbaren großen Augen würde sie ihn anhimmeln und schüchtern in Zeichensprache andeuten, dass dies nicht nötig sei. Aber er war in der Lage, ihr das zu bieten, jawohl. Und danach war noch ein schönes Essen für beide drin. Wenn sie wollte, beim Chinesen. Warum nicht? Bestimmt gab es irgendwo auch ein thailändisches Restaurant.
    So wie sich die anderen anstellten, würde er mit ihr nicht in Brens oder Weierstadt einkaufen gehen können. Aber warum auch? Dort gab es ohnehin nichts Vorzeigbares. Und schließlich musste er ihr etwas bieten. Eine richtige, intakte Großstadt zum Beispiel. Köln, Düsseldorf, München, Frankfurt.
    Jetzt überfiel ihn ein Glücksgefühl. Sein Leben würde sich grundlegend verändern. Bedeutungsvoller werden als bisher. Nicht mehr in Erinnerungen stattfinden, sondern heute und in einer erlebbaren Zukunft.
    Er ging zum Schrank, um einen Schnaps zu trinken, entschied sich dann aber anders. Er wollte ihr nicht mit einer Alkoholfahne entgegentreten. Außerdem hatte er den ganzen Tag noch nichts gegessen. Um neunzehn Uhr haderte er mit sich. Sollte er schnell in die Linde gehen und ein Wiener Schnitzel essen oder lieber hier sitzen bleiben und warten?
    Verpassen würde er sie nicht. Vor zweiundzwanzig Uhr käme Martin Schöller garantiert nicht. Von der Linde aus konnte er die Auffahrt zu seinem Haus sehen. Wenn dort ein Fahrzeug hielt, würde es ihm nicht entgehen. Aber er wusste nicht, ob er es aushalten könnte, jetzt zwischen den alten, bekannten Gesichtern zu sitzen, ihre Langeweile zu sehen und zu wissen, dass er ihnen nichts erzählen durfte. Schlimmer noch fand er die Möglichkeit, dort auf Wolfhardt Paul oder Hermann Segler zu treffen. Mit Hans Wirbitzki rechnete er nicht. Wie würden die den Tag verbringen? Liefen auch sie rastlos in ihrer Wohnung herum, betranken sie sich, oder nahmen sie Beruhigungstabletten? Hermann und Wolfi saßen garantiert in der Linde am Stammtisch.
    Er beschloss, zu Hause zu bleiben und sich selbst etwas zu brutzeln. Spiegeleier. Was sonst?
    Während er die Eier am Pfannenrand aufschlug und den Inhalt in das heiße Fett klatschte, dachte er: Das ist das letzte Mal, Günther. Das allerletzte Mal. In Zukunft wird wieder richtig für dich gekocht. Oder wir gehen auswärts essen.
    Gedankenverloren begann er, mit der Gabel die Spiegeleier zu zerstochern. Schon zog das Eigelb Schlieren, schließlich lag ein kleines Häufchen Rührei ohne Salz, Zwiebeln oder Milch fad vor ihm in der Pfanne. Er löffelte es im Stehen. Dann wusch er die Pfanne sorgfältig unter fließendem Wasser ab und stellte sie noch tropfnaß zu den Kochtöpfen.
    Nie wieder, Günther, dachte er, nie wieder.

28
    Der Sekt dümpelte im Kübel. Bereits dreimal hatte er am Flughafen angerufen und immer die gleiche Auskunft erhalten. Die letzte Maschine aus Bangkok war die neunzehn Uhr dreißig. Es war schon fast dreiundzwanzig Uhr und von Martin Schöller keine Nachricht. Im Flur

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