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Traumfrau (German Edition)

Traumfrau (German Edition)

Titel: Traumfrau (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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standen zwölf rote Tulpen, im Wohnzimmer Moosröschen und im Schlafzimmer ein bunter Frühlingsstrauß aus dem eigenen Garten. In seiner Unruhe ging Günther Ichtenhagen nach oben und vergewisserte sich, dass die Blumen die Köpfe noch nicht hängen ließen.
    Ein Strauß muss in ihr Zimmer, dachte er und fand es plötzlich ungehörig, dass er den Frühlingsstrauß für sie im Schlafzimmer auf das Nachttischschränkchen seiner verstorbenen Frau gestellt hatte. Er nahm den Strauß, um ihn in Marys Zimmer zu bringen, als es an der Tür klingelte. Mit der Blumenvase in der Hand stürzte er zur Tür. Für den Bruchteil einer Sekunde befürchtete er, von Wolfhardt Paul, Hermann Segler und Hans Wirbitzki ausgelacht zu werden. Er kam sich dümmlich vor mit den Blumen in der Hand. Aber die drei sprachen nur mit verhaltener Stimme, flüsterten wie Komplizen vor dem Einbruch in ein Mehrparteienmietshaus und erkundigten sich, ob sie schon da sei und wie sie denn aussehe.
    Sie hätten die ganze Zeit in der Linde gesessen, aber immer noch keinen Wagen vor dem Haus halten sehen. Vielleicht sei sie ja doch schon eher gekommen ... Sie wollten jetzt endlich wissen, was los war.
    Als sie begriffen, dass auch Günther Ichtenhagen wartete, sprachen sie lauter, drängten an ihm vorbei ins Wohnzimmer, setzten sich aber nicht wie sonst üblich in die bequemsten Sessel, sondern jeder suchte einen Platz, von wo aus er alles überblicken konnte. Die Tür, den Eingang, den ganzen Raum. Keiner wollte sich etwas entgehen lassen. Nicht einen Schritt von ihr, nicht eine Handbewegung, nicht einen Gesichtsausdruck. Hans Wirbitzki kaschierte seine Neugier am allerwenigsten. Er setzte sich neben die Terrassentür auf die Fensterbank, zwischen zwei langarmige Kakteen. Günther Ichtenhagen bot ihm einen anderen Platz an, aber Hans schüttelte stumm den Kopf.

29
    Günther Ichtenhagen sah ihr in die Augen und hatte das Gefühl, in einem dunklen Theater zu sitzen und erwartungsvoll auf die Bühne zu starren. Der Vorhang knarrte zwar, bewegte sich sogar ein bisschen wie vom Wind angehaucht, aber er öffnete sich nicht. Das Spiel auf der Bühne fand statt, aber der Vorhang schloss jeden Zuschauer aus. Auch ihn. Was ihn von allen anderen unterschied, war die Tatsache, dass er ahnte, welches Drama hinter dem Vorhang tobte, während die anderen dahinter nur gähnende Leere vermuteten.
    Seit Mary den Raum betreten hatte, waren die Männer kleinlaut geworden. Sie führten sich nicht so auf, wie Günther Ichtenhagen befürchtet hatte. Ihre Sprache war nicht die der Sklavenhalter. Keine zotigen Sprüche, keine anzüglichen Bemerkungen. Niemand verlangte, sie solle einen Striptease hinlegen, was sie sich gegenseitig in den letzten Wochen oft lauthals versprochen hatten: „Wenn das Fernsehprogramm nichts hergibt, schauen wir uns eben einen Bauchtanz an!”
    All diese Wünsche, Reden und Aufschneidereien schien es nie gegeben zuhaben. Die Männer buhlten geradezu um Marys Gunst, gaben sich Mühe, vor ihr gut dazustehen und freuten sich kindisch, wenn Mary durch Gesten oder Nicken zu erkennen gab, dass sie etwas verstanden hatte. Sie sprachen in kurzen Schulbuchsätzen zu ihr, langsam und überdeutlich betont.
    „Das ist dein Zimmer.”
    „Schön, nicht wahr?”
    „Seht ihr, sie hat genickt! Sie hat genickt! Es gefällt ihr!”
    „Dies ist dein Bett. Schön? Ist doch schön, oder?”
    Hermann Segler setzte sich auf ihr Bett, klopfte mit der Hand auf die Matratze, um zu demonstrieren, wie gut gepolstert das Bett war, und sie einzuladen, sich neben ihn zu setzen, aber sie blieb stehen und tat, als hätte sie die Einladung nicht verstanden.
    „Mensch, du Blödmann, was soll die denken? Die versteht dich nicht richtig! Die glaubt jetzt, dass du ihr an die Wäsche willst.”
    Hermann Segler errötete. Er sprang auf, fühlte sich erwischt, ertappt und rechnete mit einer Bestrafung, als Wolfhardt Paul sich bei Martin Schöller erkundigte:
    „Du meinst, sie hat wirklich keinen Hunger?”
    „Wir haben ihr was angeboten. Du siehst, sie will nichts.”
    „Vielleicht schmeckt es ihr nicht.”
    „Macht euch keine Sorgen. Direkt nach ihrer Ankunft war ich mit ihr bei McDonald’s. Sie hat zwei Cheeseburger verdrückt. Zahl ich aus eigener Tasche. Hab ich ihr ausgegeben, hahaha.”
    Jetzt versuchte Martin Schöller, die anderen davon zu überzeugen, dass sie Mary allein lassen sollten.
    Er führte ihre lange Flugreise ins Feld, den Zeitunterschied, wies auf ihre

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