Traumfrau (German Edition)
Augenpaare angafften. Als sei nichts gewesen winkte er fröhlich, so wie sich Nachbarn grüßen. Die andere Frau stieß er in den dunklen Innenraum zurück und verschwand dann ebenfalls. Die Tür knallte zu.
Wolfhardt Paul wollte sich auf der Tischplatte abstützen und kippte dabei die Kaffeetasse von Helga Segler um. Martin Schöller erkannte seine Chance. Er stand auf, rief quer durch den Saal: „Ich werde jetzt hinausgehen und dieser Frau Schutz anbieten!”
Erschrocken griff seine Mutter nach Martins Hand: „Junge!”
Martin entzog sich ihr.
„Bravo!”, rief Hanne Wirbitzki und blickte triumphierend ihren Mann an. Sieh nur, sagten ihre Augen, das gibt es auch noch. Tapfere junge Männer. Die bereit sind, sich für eine Frau zu schlagen.
„Hol sie rein!”, rief Hanne hinter Martin Schöller her und Bürgermeister Sendlmayr erhob sich zögernd, um Martin zu folgen. Er spürte, dass er sich hier nicht heraushalten durfte. Seine Wähler erwarteten, dass er stellvertretend für sie handelte. Er und nicht Martin Schöller. Er bewegte sich so langsam, dass Martin keine Mühe hatte, schneller zu sein. Alle würden das seinem Alter und Martins Jugend zuschreiben. Es war für jeden nachvollziehbar, dass dieser junge Spund zuerst bei der Frau ankam.
Als sie Martin sah, begann sie zu rennen. Bürgermeister Sendlmayr blieb stehen. Da hatte er sowieso keine Chance.
Sie flüchtete die Wiesenstraße hinunter. Mit einem Blick zur Linde rief Martin Schöller: „Warte! Du brauchst keine Angst vor mir zu haben. Ich will dir helfen!” Dann spurtete er hinter ihr her.
Gleich hab ich dich, dachte er, gleich hab ich dich, du kleine Schlampe.
Er hätte sie leicht schon vor der Häuserzeile erwischen können. Aber er wartete, bis sie dahinter verschwunden war. Was nun geschah, war nicht für die Augen der Trauergäste bestimmt.
Hinter dem Haus des Bürgermeisters griff er in ihre langen Haare und brachte sie mit einem Ruck zu Fall.
Ich muss auf ihre Fingernägel aufpassen, ihre Fingernägel! Damit könnte sie mir das Gesicht zerkratzen. Seine Hand in ihr Haar gekrallt, hielt er sie am ausgestreckten Arm weit genug von sich entfernt und zog sie langsam hoch. Nur ihre Zehenspitzen berührten noch den Boden.
Obwohl er wusste, dass alle Dorfbewohner in der Linde versammelt waren, warf er einen kurzen Blick auf die Fensterscheiben, bevor er ihr einen gezielten Schlag in die Magengrube verpasste. Wie ein Punchingball hing sie in seinem gnadenlosen Griff. Sie wehrte sich nicht, hob nicht einmal die Hände, um sich zu schützen, als der nächste Schlag ihr die kurze Rippe brach. Nur aus ihren weit aufgerissenen Augen starrte Martin das blanke Entsetzen an.
Als er erneut ausholte, spürte er es deutlich: Sie rechnete mit ihrem Tod. Aber so weit wollte Martin Schöller nicht gehen. Er hatte noch viel zu viel mit ihr vor.
Er zerrte sie im Schutz der Häuser und Bäume zu Günther Ichtenhagens Haus. Dort angekommen, warf er sie aufs Bett, hielt ihr den Zeigefinger wie eine Pistole vor die Nase, klopfte ihr dann damit auf die Stirn und brüllte: „Tu das nie wieder! Rühr dich jetzt nicht vom Fleck! Du bleibst hier so liegen, bis ich wieder da bin!”
Er stürmte die Treppe hinunter ins Badezimmer, riss den Alibert-Schrank auf, durchwühlte ihn nach Pflaster und Verbandszeug. Er fand mehrere Rollen. Damit rannte er die Treppe wieder hoch. Sie hatte sich tatsächlich nicht bewegt. Starr, in Todesangst, lag sie da.
Hastig fesselte Martin Schöller sie mit Händen und Füßen ans Bettgestell. Er schwitzte schlimmer als beim intensiven Brusttraining mit der Langhantel.
Als er sich dabei erwischte, dass er zur Linde zurückrannte, verlangsamte er seine Schritte, lüftete seine durchgeschwitzte Kleidung ein wenig, lockerte den Hemdkragen und legte sich ein paar Sätze zurecht.
Es war, als ginge eine Sonne in ihm auf. Ein spitzbübisches Grinsen ließ sein Gesicht erstrahlen. Aus voller Kehle rief er: „Hallo! Hallo, wo bist du? Du brauchst keine Angst haben! Komm zu mir! Wir helfen dir!”
Noch niemand hatte die Linde verlassen. Bürgermeister Sendlmayr war direkt, als Mary zu rennen begonnen hatte, in die Linde zurückgekehrt. Alle warteten auf Martin. Er erschien durchgeschwitzt, verwegen, ein Mann, der von seinen Abenteuern zurückkehrt und etwas zu erzählen hat. Das ganze Dorf hing an seinen Lippen, als er zunächst einen Schluck Kaffee trank, bevor er die Worte aussprach: „Sie ist weggelaufen. Vermutlich hatte sie Angst
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