Traumfrau (German Edition)
Haus. Er durfte nur nicht zu weit nach vorn fahren, um nicht von Uschi entdeckt zu werden.
Er fühlte sich plötzlich ungeheuer clever. Allen anderen überlegen. Er plante seinen Coup wie ein Bankräuber. Studierte zunächst die genaue Lage, den Fluchtweg, die passende Uhrzeit und wählte dann die Waffen.
Er legte seine Axt neben sich auf den Trecker.
Er wusste selbst nicht genau, warum. Falls jemand versuchen sollte, ihn an Marys Befreiung zu hindern, würde er ihn sicherlich nicht mit der Axt erschlagen.
Wenn du jetzt reinkommst, und zum Beispiel Martin Schöller ist da, sagst du einfach: „Oh Entschuldigung”, und kommst später wieder.
Niemand ahnt, was du vorhast. Sei jetzt ganz ruhig. In ein paar Stunden ist alles erledigt. Dann ist sie frei, und du wirst dich großartig fühlen. Großartig. Dann kannst du endlich wieder träumen.
51
Mürrisch drückte Hans Wirbitzki die Zigarrenglut im Aschenbecher aus. Er stand seit einer halben Stunde am Fenster und stierte auf die Dorfstraße. Hanne hatte etwas bemerkt. Seit der Beerdigungsfeier ahnte sie, dass es eine Verbindung gab zwischen Mary und ihm. Aber Hanne ließ sich nichts anmerken. Sie behandelte ihn wie immer, nur manchmal glaubte er für Sekunden, einen frostigen Unterton in ihrer Stimme zu hören. Vermutlich, dachte Hans Wirbitzki, vermutlich hat sie jetzt mehr Angst als ich. Ich weiß ja genau, was wir getan haben. Sie hingegen riecht nur Lunte, ohne zu wissen, wie groß das Feuer ist. Sie hat Angst, dass wir wieder wegmüssen aus Ichtenhagen. Dass der ganze alte Scheiß wieder von vorn losgeht. Aber diesmal bin ich’s nicht allein. Diesmal bin ich nicht das einsame Schwein, bin nicht allein dem Spott ausgesetzt. Selbst wenn es morgen in der Zeitung steht, die Ichtenhagener werden so tun, als sei nichts geschehen.
Vielleicht sollten wir Hermann Seglers Anteil an den Bürgermeister verkaufen. Oder an den Vorsitzenden vom Sportverein. Dann hätten wir alle Honoratioren beisammen.
„Ihr könnt mich am Arsch lecken, ihr Ichtenhagener!”, brüllte er gegen die Fensterscheibe. „Ihr seid nicht besser als ich! In eurem betulichen, kleinen Scheißkaff hausen genauso viele Hurentreiber, Kinderverführer und Frauenschänder wie im Rest der Welt!”
Er suchte nach einer neuen Zigarre, fand aber keine, die ihm im Moment lang genug war. Er rauchte, wie andere Leute Frühsport machten: mit dem Gefühl, es hinter sich bringen zu müssen, um für den kommenden Tag gewappnet zu sein.
Er sah Wolfhardt Paul mit dem Trecker losfahren. Auf dem Hänger einen Stapel Holzscheite.
Alles ist wie immer, sinnierte Hans Wirbitzki. Hanne verkauft ihre Schuhe, Wolfhardt wuselt auf seinem Acker herum, und Martin Schöller pennt garantiert noch.
Wenn ich schon den Stress habe, dann will ich auch mein Vergnügen.
Warte, du kleine Hure, ich komme jetzt. Du hast doch bestimmt noch nicht gefrühstückt. Ich bringe dir etwas.
Er klappte die Zigarrenkiste zu und beschmierte zwei alte Brotscheiben flüchtig mit Margarine. Dazwischen pappte er den Rest Fleischwurst und griff nach der Papierrolle. Leer. Ein Anflug von Zorn auf Hannes Schlampigkeit ließ ihn die Faust ballen. Trotzig steckte er dann das Brot so in die Tasche. Hanne würde die Fettflecken schon wieder herausbekommen. Er nahm das Messer vom Küchentisch und steckte es ein.
„Vielleicht werde ich dir ein bisschen Angst damit machen”, raunte er, und die Vorfreude ließ sein Gesicht jugendlicher erscheinen. Es hatte ihm immer Spaß gemacht, wenn die Mädchen Angst dabei hatten. Angst vor Entdeckung durch die Eltern, Angst davor, schwanger zu werden, Angst vor dem Schmerz. Angst vor der Sache an sich oder auch einfach Angst vor ihm: Hans Wirbitzki.
Er stand schon vor der Tür, als er es sich noch einmal anders überlegte und in die Küche zurückstürmte. Er nahm eine Mettwurst aus dem Kühlschrank, steckte die angebrochene Tube Senf ein und kramte dann in Hannes Avon Proben. Wahllos steckte er ein paar Tütchen, Döschen und Tuben ein.
Wenn du ihr zu weh tust, kannst du dich später damit bei ihr entschuldigen, dachte er. Den Mädchen hatte er danach auch immer Bonbons gegeben, Schokolade, einigen sogar schwarze Zigaretten, von denen ihnen schlecht wurde. Aber sie hatten tapfer geraucht, um nicht als kleine Kinder dazustehen. Mit Schminkkästchen und Parfümfläschchen hatte er versucht, aus Opfern Komplizinnen zu machen. Oft mit Erfolg.
Er ging zu Günther Ichtenhagens Haus nicht wie ein asthmakranker
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