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Traumfrau mit Fangzähnen

Traumfrau mit Fangzähnen

Titel: Traumfrau mit Fangzähnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Savannah Russe
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schnell noch einige Sachen in den Rucksack. Vielleicht war es sinnvoll, ein wenig mehr Geld mitzunehmen, falls sich mir die Gelegenheit bot, die Droge zu kaufen. Ich ging zur Anrichte, öffnete eine Schublade und zog zweitausend Dollar unter den Tischdecken hervor, die ich noch nie benutzt hatte. Mar-Mars Blick bohrte sich in meinen Rücken. Sie beobachtete jede meiner Bewegungen genauestens, während ich wiederum versuchte, die Unterhaltung aufrechtzuerhalten. »Ich habe gehört, dass die CIA in den Sechzigern harte Drogen, besonders Heroin, benutzt hat, um die Bewegung zu zerstören. Die jungen Leute wurden zu radikal und zu revolutionär. Stimmt das?«
    »Was auch immer damals gewesen sein mag, jetzt ist es jedenfalls nicht die CIA, die die Drogen auf den Markt spült«, entgegnete Mar-Mar und umging so meine Frage. »Daphne, wir müssen diese Droge so schnell wie möglich aus dem Verkehr ziehen.«
    Ich drehte mich zu ihr um und sah sie an. Vielleicht bekam ich von ihr ein paar ehrliche Informationen über diesen Auftrag. »Warum? Ich meine, abgesehen von dem offensichtlichen Grund, dass Leute daran sterben?«
    »Weil wir Grund zu der Annahme haben, dass diese Droge eine Gefahr für die Regierung darstellt, vielleicht sogar für den Präsidenten selbst.«
    »Du machst Witze«, sagte ich. »Wie denn das? Schnüffelt er etwa auch an dem Zeug?«
    »Natürlich nicht!«, erwiderte sie und beendete damit die Unterhaltung. Ich nahm einen braunen Ledermantel aus dem Schrank und zog ihn an. Darüber legte ich einen russischen Pelz und einen Kaschmirschal, um mich bei dem außergewöhnlich kalten Wetter warm zu halten.
    »Ich muss los, Ma«, sagte ich.
    »Dann gehen wir doch zusammen«, schlug sie vor und hakte sich bei mir unter. »Ich liebe dich, Schätzchen«, fügte sie sanft hinzu.
    »Ich dich auch, Ma.« Im Stillen ergänzte ich:
Aber ich würde zu gern wissen, was du mir verschwiegen hast.
     
    Auf der Straße angekommen, trennte ich mich von Mar-Mar, die mich noch ermahnte, vorsichtig zu sein, und dann entschlossen in Richtung U-Bahn-Station davonstapfte. Im stürmischen Wind des frühen Abends sah sie aus wie eine Heimatlose. Während ich nach einem Taxi Ausschau hielt, hörte ich den tiefen, klagenden Ruf einer Eule. Mein Blut gefror zu Eis. Den Vogel selbst sah ich nicht, ich erkannte jedoch den Schatten seiner Schwingen, die an einer Straßenlaterne vorbeistreiften. In Manhattan sind Eulen äußerst selten, und für die Ureinwohner Amerikas kündigt der Ruf einer Eule vom herannahenden Tod. Spielte mir meine Einbildung einen Streich?
Nein,
dachte ich,
ich habe den Schatten gesehen und auch den Schrei deutlich gehört.
Ob es der Gestaltwandler war, der mich vor einer Gefahr warnen wollte? Nach der Attacke der Vampirjäger musste ich besonders wachsam sein.
    Ein heruntergekommenes altes Taxi hielt vor mir. Ich öffnete die quietschende Tür und hatte das Gefühl, in ein dunkles Grab hinabzusteigen. Die Polster waren schäbig und abgenutzt, und eine kugelsichere Plastikwand trennte den Rücksitz vom vorderen Teil des Wagens, ein Indiz dafür, dass dieses Taxi auch in sehr viel gefährlicheren Vierteln als meinem Touren fuhr. Durch die Klappe in der Plastikwand nannte ich dem Fahrer die Adresse von Kevin St. James, und ohne sich nach mir umzusehen, grummelte er zustimmend. Ein Kapuzenpulli verhinderte den Blick in sein Gesicht, und auch im Rückspiegel konnte ich ihn nicht erkennen.
    Plötzlich wurde mir beklommen zumute. Aus dem Radio erklang die verstörende, atonale Musik irgendeines fernöstlichen Landes, vielleicht Java. Das Geräusch zerrte an meinen Nerven, und ich fühlte mich, als führe ich zu einer Beerdigung, bei der meine Hoffnung auf Liebe endgültig begraben wurde. Im selben Moment kamen mir meine Gedanken albern vor, und ich zwang mich, meine Konzentration ganz auf den vor mir liegenden Auftrag zu lenken. Ich durfte mir nichts anmerken lassen, musste zur Spionin werden und meinen Körper und meine Seele einem höheren Ziel als der Suche nach meinem persönlichen Glück unterordnen. Doch trotz meiner Bemühungen, sachlich zu denken, spürte ich, dass das Böse heute Nacht die Straßen von New York heimsuchte, spürte, wie es mit jedem Block, der mich meinem Ziel näher brachte, greifbarer wurde.
    Ich versuchte, mich mit dem Gedanken an Fitz abzulenken. Vielleicht kam er ja auch in den Pub. Zwar fand ich es immer noch etwas merkwürdig, dass er nach dem Tod des Mädchens so schnell verschwunden war,

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