Traumfrau mit Fangzähnen
aber ich konnte mir nicht vorstellen, dass eine Verbindung zwischen ihm und der Droge bestehen sollte. Ein Dealer war er bestimmt nicht. Green Day und Buddy Holly waren weitaus wahrscheinlichere Kandidaten, und ich nahm mir vor, auch nach ihnen Ausschau zu halten. Ob ich es schaffen würde, an eine Ampulle der Droge zu gelangen? Nach dem, was J über die Sicherheitsmaßnahmen der Dealer erzählt hatte, würde es einiges an Geschick und an Glück benötigen. Ich musste einen Konsumenten ausfindig machen, mit ihm ins Gespräch kommen und ihn dazu bringen, mich mit der Quelle in Verbindung zu bringen. Als das Taxi schließlich vor dem Kevin St. James zum Stehen kam, reichte ich einen Zwanzigdollarschein durch die Klappe der Trennscheibe und öffnete die Wagentür. »Der Rest ist für Sie«, sagte ich.
»Vielen Dank«, erwiderte der Fahrer und wandte sich zu mir um.
Ich prallte voller Abscheu zurück. Unter der Kapuze warf mir ein Totenkopf ein knochiges Lächeln zu. Ich blinzelte heftig. Das Gesicht nahm menschliche Züge an und wurde zu einem mageren Taxifahrer mit dunklen Ringen unter den Augen. Ich stieg schnell aus und schlug die Tür hinter mir zu. Die eiskalte Luft umfing mich, und die hell erleuchteten Straßen wirkten grell und unfreundlich. Ich wusste, dass irgendwo Vampirjäger unterwegs waren, auf der Suche nach mir, nach Darius, und vielleicht auch nach meinen Freunden. Falls es irgendwelche Omen gab, die einen vor dem Bevorstehenden warnten, hatte ich sie mit Sicherheit erhalten.
Dennoch hätte ich niemals mit dem gerechnet, was mich erwartete, als ich die Tür des Pubs öffnete und in das dunstige Innere trat.
Kapitel 5
Eines langen Tages Reise in die Nacht
U m sieben Uhr abends hatten die meisten Menschen ihren Samstagabend noch nicht eingeläutet. Das Kevin St. James war beinahe leer. Aus der blechern klingenden Musikanlage schepperte Lou Reeds »What’s Good«. Ich löste den Schal von meinem Hals, knöpfte den Mantel auf und hängte beides an die Garderobe. Dann sah ich hinüber zur Bar. Fitz war nicht da.
Verdammt
. Ich warf einen Blick auf die Kreidetafel, weil ich wissen wollte, welche Band heute Abend spielte. Ich hoffte, dass Beyond the Pale, die irische Gruppe, die am Abend zuvor gespielt hatte, auch heute Abend auftreten würde. Doch als ich den Bandnamen las, hatte ich das Gefühl, zu Stein zu erstarren:
Heute im Kevin St. James
Darius D. C. & Vampire Project
Beginn jeweils um 22 Uhr, 24 Uhr, 2 Uhr
Lounge im 1. Stock, Eintritt $10.
Es war einer dieser Momente, in denen das logische Denken einfach aussetzt. Ich starrte auf die Buchstaben und begriff nicht, was meine Augen mir mitteilten. War das
mein
Darius? Und falls ja, was zum Teufel sollte das? Adrenalin schoss durch meine Adern. Ich ging hinüber zur Bar und setzte mich auf einen Hocker.
Jennifers Gesicht leuchtete auf, als sie mich erkannte. »Hey! Daphne, stimmt’s?« Ich nickte zur Bestätigung. »Wie schön, Sie wiederzusehen. Möchten Sie wieder ein Guinness?«
»Ich glaube, ich brauche etwas deutlich Stärkeres«, wandte ich ein.
Bravo
, flüsterte eine innere Stimme dem Teil in mir zu, der gerade jegliche Vorsicht in den Wind geschlagen hatte,
senk ruhig deine Hemmschwelle, das wird all deine Probleme lösen.
»Das heißt«, fuhr ich fort, »machen Sie mir bitte ein Pellegrino mit Zitrone, kein Eis.« Der Verstand hatte gesiegt.
Jennifer warf mir einen fragenden Blick zu, holte dann jedoch eine kleine grüne Flasche aus dem Kühlschrank neben der Bar, tat ein Stück Zitrone in ein Glas und stellte beides vor mir ab.
»Klingt ganz nach Ärger mit Männern«, sagte sie grinsend. »Auf dem Gebiet bin ich Expertin.«
»Volltreffer«, erwiderte ich lachend. »Ich trinke besser nichts, sonst heule ich noch in mein Bier.«
»Hey, genau dafür sind Bars doch da«, entgegnete sie. »Wenn ich für jede traurige Geschichte, die ich hier höre, einen Groschen bekäme, wäre ich schon Millionärin. Falls Sie Ihre Meinung ändern und doch etwas Stärkeres wollen, sagen Sie mir einfach Bescheid. Für Sie gehen die Drinks heute aufs Haus.«
Da noch nicht viel los war und Jennifer offenbar Lust hatte, sich zu unterhalten, wagte ich einen Vorstoß. »Ist Fitz heute nicht da?«
»Nein, ich habe ihn noch nicht gesehen. Aber die Wochenenden sind nicht sein Ding. Er kommt meist nach der Arbeit hierher.«
»Na ja, hätte ja sein können.«
»Er ist ein prima Kerl. Ich wünsche Ihnen viel Glück«, sagte Jennifer.
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