Traumhaft verliebt - Roman
trat Sarah aus sich selbst heraus und betrachtete die ganze Szene wie in einem abscheulichen Albtraum.
Da stand sie, ein moppeliger Teenager mit einer Zahnspange, einem Rentiergeweih auf dem Kopf und klingelnden Glöckchen am Pullunder, zwischen Braut und Bräutigam, und erklärte einem erwachsenen Mann ihre Liebe, welche dieser ganz sicher nicht erwiderte, während das ganze verdammte Twilight dabei zusah und sich köstlich über diese elende Schmach amüsierte.
Sie verspürte einen heftigen, schmerzhaften Stich im Herzen.
»Sarah«, murmelte Travis, »vielleicht solltest du jetzt besser nach Hause gehen.«
Du Dummkopf! Er will dich nicht. Du bringst ihn in Verlegenheit.
Ihr Gesicht brannte. Ihr Magen rumorte. Ihre Brust schmerzte. Tränen liefen ihr über die Wangen. Sie konnte nichts mehr erkennen. Blindlings drehte sie sich um und stolperte in Richtung Tür, riss sich das Geweih vom Kopf und die Glöckchen vom Pullunder. All ihre Hoffnungen, all ihre Träume waren dahin, und sie rannte so schnell und so weit weg, wie sie nur konnte, von dem dröhnenden Gelächter hinter ihr.
Und sie schwor sich, nie mehr jemandem ihr Herz zu schenken.
Kapitel eins
D as musst du dir anschauen, Sarah. Es wird dir das Herz zerreißen.«
Ha! Zu spät. Das Herz hatte es ihr schon vor neun Jahren zerrissen, als sie eine naive, alberne Fünfzehnjährige gewesen war. Nicht dass sie noch allzu oft an Travis Walker dachte. Und als wäre diese Peinlichkeit nicht genug gewesen, um sie zu einer waschechten Zynikerin zu machen, hatte ihr der Unfall während ihrer College-Zeit den Rest gegeben. Abwesend fuhr sich Sarah mit der Hand über den Bauch und rieb die Narbe, die immer noch von Zeit zu Zeit schmerzte.
Sie blickte über ihren Computerbildschirm hinweg auf ihren Literaturagenten Benny Gent. »Ich werde Weihnachten keine weitere Lesereise antreten, Benny. Das letzte und das vorletzte Jahr waren …«
»Anstrengend, ich weiß. Ich war dabei.« Er stand auf der Schwelle zum Wohnzimmer, das sie in ihr Büro umgewandelt hatte, eine Schulter gegen den Türrahmen gelehnt, und hatte sein ach-so-charmantes Grinsen aufgesetzt.
Benny hatte nach einem Geschäftsessen mit ihrem Verleger Hal Howard bei ihr vorbeigeschaut. Sie waren bei Movers und Shakers gewesen, einem angesagten neuen Restaurant uptown. Benny hielt ein Blatt Papier in der Hand. Sarah konnte sein Aftershave riechen, teuer und exotisch, Sternanis und Kardamom. Er trug einen Designer-Anzug, ein frisches cremefarbenes Button-down-Hemd und einen Seidenschlips mit Paisley-Muster. Sein aschblondes Haar hatte er einem Vielbeschäftigte-Nachwuchsführungskraft-Kurzhaarschnitt unterzogen, und er war knackig braun, was er dem Spray-Tanning-Salon unten in seinem Haus zu verdanken hatte. Benny hatte die Energie eines Kernkraftwerks, und manchmal zermürbte sie seine Anwesenheit schlicht und einfach. Trotzdem war er ihr engster Freund und Vertrauter.
Ach, wem machte sie eigentlich etwas vor? Er war ihr einziger Freund, auch wenn sie jede Menge Bekannte hatte. Sich emotional auf Menschen einzulassen war ihr immer schon schwergefallen, aber noch mehr, seit Gram nicht mehr da war.
Traurigkeit überkam sie, wie immer, wenn sie an ihre Großmutter dachte. Sie war vor acht Jahren gestorben, und Sarah vermisste sie schmerzlich.
»Ich wollte sagen, dass die beiden letzten Jahre ein Albtraum waren«, erklärte Sarah. »Ich werde klaustrophobisch unter all den Fremden.«
»Du lebst in New York.«
»Das ist etwas anderes. In Manhattan ignorieren einen die Menschen. Ich werde gerne ignoriert.«
»Aha, dann ist es also deine Prominenz, die dir zu schaffen macht, nicht die Menge.«
»Nein, es sind die Menschen, die mir zu schaffen machen. Die Sache ist die: Du blühst auf, wenn du deine Geschäfte machst, auf Partys und auf Reisen gehst. Ich dagegen bin ein griesgrämiger Eremit, der mit Weihnachten nichts anfangen kann. Wie Ebenezer Scrooge aus Dickens’ Weihnachtsgeschichte .Du kannst mich Scroogetta nennen.«
»Und dennoch hast du ein Weihnachtsbuch geschrieben. Für Kinder, wohlgemerkt.«
»Ja, nun, jeder hat mal schwache Momente.«
»Es hat dich reich gemacht.«
»Du bist selbst nicht schlecht dabei weggekommen.«
»Du bist ja ziemlich gereizt.«
»Ich habe dir gesagt, dass ich Weihnachten hasse.«
Benny blickte sie nachsichtig an. Er kannte sie gut genug, um ihre dramatischen Erklärungen nicht überzubewerten. »Es war eine großartige Entscheidung, dieses Buch zu schreiben, ob
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