Traumjäger (German Edition)
wie du hierher gekommen bist?“, fragte Tom, bevor ich mich nach seinem Beruf erkundigen konnte. „Schließlich bist du hier. Irgendetwas musst du gemacht haben!“ Neugierig schaute er mich an.
Ich überlegte krampfhaft… was hatte ich vorher alles gemacht? Ich hatte im Bett gelegen und –
„Ich … ich habe mich hierher geträumt?“, fragte ich zweifelnd.
Toms Gesicht hellte sich auf. Er klatschte zufrieden in die Hände. „Ja, Andy!“ Er nickte heftig und strahlte über das ganze Gesicht. „Du hast dich hierher geträumt!“ Seine Begeisterung steckte an, und ich freute mich über meine offensichtlich richtige Antwort, die mich dennoch stark verwirrte.
„Deine Träume, Andy. Deswegen habe ich dich eingeladen. Wir müssen dringend reden.“ Toms Gesicht wurde wieder etwas ernster. Eine leise Ahnung, worüber er mit mir reden wollte, beschlich mich, als er ein sorgsam gefaltetes Exemplar der Samstagszeitung aus einer der vielen, unergründlichen Schubladen seines Schreibtischs hervorzog und auf den großen Tisch legte. Das rauchende Fässchen stellte er weg, damit wir besser sehen konnten. Verdattert starrte ich auf das Schwarzweiß-Foto der Gladiatoren. Ein feiner Kreis, mit rotem Filzstift schwungvoll gezogen, umrahmte mein kleines Gesicht und markierte somit meinen Platz in der Zuschauermenge. Ich schluckte. Es hatte mich also doch jemand erkannt!
„Du bist unvorsichtig geworden, Andy!“, tadelte Tom und trommelte mit dem Finger auf dem Zeitungsbild herum. Verlegen schaute ich in sein Gesicht. Beruhigt stellte ich fest, dass seine Augen noch immer freundlich waren, und er lächelte.
„Es tut mir sehr leid. Ich wollte ja in der Geschichtsstunde aufpassen. Ich wollte es wirklich!“, versuchte ich mich zu rechtfertigen. Einen Moment lang schaute er mich verwirrt an.
„Ach – da ist es also passiert? Im Geschichtsunterricht, ja? Na, das kann vorkommen… Aber darauf wollte ich gar nicht hinaus. Du solltest einfach ein bisschen besser aufpassen mit deinen Träumen.“
„Es war nur ein Traum, nicht wahr?“, vergewisserte ich mich hastig. Tom nickte langsam. „Aber – wieso bin ich dann auf einem Zeitungsbild zu sehen, wenn ich doch nur geträumt habe? Ich verstehe das alles nicht… In letzter Zeit passieren so viele merkwürdige Dinge! Was geschieht hier eigentlich?“
Tom lächelte und betrachtete mich mit überraschten, hellen Augen. „Sag bloß, du weißt es noch nicht?“ „Was soll ich wissen?“ Allmählich wurde mir alles zu seltsam.
„Na, dass du ein besonderes Talent hast! Ich hatte gedacht, das wäre dir längst klar!“
Fast unmerkbar schüttelte ich den Kopf. Ich schämte mich ein wenig, so unwissend über meine eigenen Fähigkeiten dazustehen. „Ich habe kein Talent, wirklich nicht. Ich bin – ich glaube, ich bin einfach nur ein Träumer!“, flüsterte ich.
„Nur ein Träumer? Nur ? Andy, du unterschätzt dich!“
Tom war aufgestanden und schritt in dem großen Zimmer hin und her. „Du bist ein besonderer Junge, Andy, mit einer besonderen Gabe. Du bist ein Träumer. Ja, das ist wahr. – Und was für einer!“
Er lachte mir mitten ins verdutzte Gesicht. „Was für merkwürdige Dinge sind dir denn in letzter Zeit passiert?“, erkundigte er sich interessiert. Ich erzählte ihm von der Orange und dem verschmutzten Ärmel. Den Zeitungsartikel hatte er ja vorliegen.
Tom nickte bestätigend. „Ja, das ist genau das, was ich meine. Und das ist alles erst in den letzten Tagen passiert? Nicht schon lange vorher? Merkwürdig… Nun ja. Manchmal schlummern Talente auch, bis sie eines Tages hervorbrechen. Aber dann tun sie es in großem Ausmaß.“ Tom setzte sich wieder in seinen bequemen Stuhl. Ich kaute auf meiner Unterlippe und versuchte mir darüber klar zu werden, was er gerade gesagt hatte.
„Was heißt das?“, fragte ich schließlich. „Werden meine Träume Wirklichkeit?“ Schon lange hegte ich diese leise Vermutung. Doch immer wieder hatte ihr die Vernunft Schweigen geboten. Nun wollte ich Gewissheit.
Tom nickte. „Ja, Andy, du hast die seltene Fähigkeit, deine Träume zu erleben. Sie sind wirklich. Sie sind lebendig.“ Er sah mich für einen kurzen Moment geheimnisvoll an. „Genau wie meine.“, fügte er flüsternd hinzu.
Mit offenem Mund starrte ich Tom an. Also war es doch wahr! Ich konnte es. Ich konnte meine Träume Wirklichkeit werden lassen. Ich konnte es! Und Tom, Tom konnte es auch.
Tom räusperte sich. Er suchte geräuschvoll nach
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