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Traumjäger (German Edition)

Traumjäger (German Edition)

Titel: Traumjäger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Talbiersky
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Hand angefühlt hatte. Die Traumlosen hatten sie nicht öffnen können. Würde Sorgul es schaffen?

    Ich dachte an die Träume. Würde es sie bald nicht mehr geben? Man konnte sich aus dem Land ohne Träume nicht wegträumen, das hatte Tom in der Kutsche gesagt. Ich seufzte. Wie gerne hätte ich mich jetzt an einen anderen Ort geträumt. An einen schönen Ort, an einen Ort, an dem es Licht gab.

    Ich dachte an das Licht. Das helle, gute Licht…
    Man ahnt ja gar nicht, wie sehr man es vermissen kann, wenn ein ganzer Tag zur Nacht wird!

    Ich öffnete die Augen und stellte mir vor, wie ein Stern mir vom Himmel zuzwinkerte.

    Die Sehnsucht nach dem vertrauten Licht musste wirklich sehr stark in mir gewesen sein, so stark, dass meine müden Augen mir einen Streich spielten, und ich tatsächlich einen kleinen Stern am dunklen Himmel funkeln sah.
    Ach, Andy, das bildest du dir nur ein, dachte ich. Dann war ich auch schon eingeschlafen.
    Es war das erste Mal, seit langer Zeit, dass ich nicht träumte.

    ***

    Trompeten schreckten mich auf. Laut und unheimlich tönte ihr blecherner Klang durch die engen Gassen. Er bahnte sich einen Weg durch die hohen Schluchten, in die Felsenhäuser, zu den Traumlosen und zu mir. Ich rappelte mich auf und stieß mir beinahe die Stirn an der harten Felskante.
    Eine Tür wurde hastig über meinem Kopf aufgestoßen, und eilige Schritte polterten die Treppenstufen hinab. Aufgeregt zischten die Stimmen über mir.
    „Das wird aber auch Zeit!“, hörte ich jemanden sagen. „Es ist längst überfällig.“ „Nun mach schon endlich, beeil dich. Oder willst du zu spät kommen, wenn der dunkle Herrscher ruft!“
    Die Stimmen über mir entfernten sich, doch überall in der Straße wurden nun Türen aufgerissen, und die Traumlosen stürzten heraus, aufgeregt und, wie mir schien, mit gieriger Erwartung. Und nicht nur in dieser Straße! Aus jeder Gasse und jedem Winkel strömten Traumlose herbei.
    Wieder tönten die Trompeten. Einen kurzen Moment nur zögerte ich, dann warf ich mir die Decke wie einen Umhang über, staubte mich noch einmal mit der Asche ein und verließ mein Versteck.
    Die Traumlosen strömten alle in die gleiche Richtung. Sie drängelten, schubsten und fluchten.
    Wo wollten sie nur hin? Ich mischte mich unter sie. Kaum war ich in dem Strom der dunklen Männer, Frauen und Kinder hineingeraten, so wurde ich mitgerissen. Aus allen Gassen strömten mehr und mehr schwarze Gestalten herbei. Das Gewirr eisiger Stimmen ließ mich erschaudern, doch ich lief tapfer weiter, versuchte Satzfetzen zu erhaschen…
    „Der lang ersehnte Moment…“ „Endlich….“ „Sorguls verdienter Sieg…“
    Was ging hier nur vor sich? Mein Herz klopfte mir bis zum Hals. Sorguls Sieg? War es bereits zu spät? Hatte er die Uhr zerstört? Ich mochte gar nicht daran denken, was dann geschehen würde.

    Ein drittes Mal schnitt sich der blecherne Ton der Trompeten einen Weg durch die Dunkelheit.
    Die Traumlosen johlten. Eine verhüllte Gestalt neben mir, riss im Eifer die Arme in die Höhe. Die langen, grauen Finger streiften mich. Fast wäre mir dabei meine Decke verrutscht. Ich konnte sie gerade noch rechtzeitig wieder über den Kopf ziehen. Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn die aufgebrachte Menge bemerkt hätte, wer sich unter sie gemischt hatte!
    Männer, Frauen, Kinder, alle in Schwarz gehüllt, eilten an mir vorbei. Es war schwer, Schritt zu halten. Oft stolperte ich über die Decke, die auf dem Boden zwischen meinen Füßen schleifte.
    Ab und zu fuhr mich ein Traumloser ärgerlich an, wenn ich ihm zu langsam war, und schubste mich dann ungeduldig aus dem Weg. Ein übler Geruch hing in der Luft. Und nun wusste ich, wohin die Menge strebte. Die Traumlosen – und ich mitten unter ihnen – wir eilten zum See!

    Fackeln wurden an dem kahlen Ufer befestigt. Gespenstisch reflektierte der schwarz glänzende See die züngelnden, gelben Flammen. Noch vor wenigen Stunden, als ich hier gestanden und Tom hinterher geblickt hatte, war alles leer und verlassen gewesen. Weder Boote noch Traumlose hatte ich gesehen.
    Nun war der ganze See bedeckt mit Booten, kleinen und großen. Es gab solche, die nur einzelne schwarze Gestalten an Bord hatten, und andere, in denen ganze Gruppen unterkamen.
    Am Ufer sammelten sich hunderte, tausende Traumlose, und sie alle wollten über den See setzen.
    Der Nebel hatte sich etwas gelichtet. Kleine rotgelbe Lichter besprenkelten die dunkle Oberfläche des Sees. Es waren

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