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Traumjäger (German Edition)

Traumjäger (German Edition)

Titel: Traumjäger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Talbiersky
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Fackeln, die am Bug der Boote befestigt waren.
    Und ganz hinten, fast am Horizont, da gab es tatsächlich ein anderes Ufer. Jetzt sah ich es! Ein großer, runder Felsen lag schlafend im See. Und auf seinem breiten Rücken ragte eine Burg empor. Eine dunkle, drohende Burg mit hohen, bewachten Türmen und riesigen Mauern. Fackeln zuckten um sie herum auf wie kleine Blitze.
    Ich konnte nicht aufhören, die Burg anzustarren. Sie fesselte meinen Blick. Doch gleichwohl konnte ich sie nicht ansehen, ohne mich grauenhaft und entsetzlich vor ihr zu fürchten. Vor ihr und vor dem, was sie in ihrem Inneren verbarg. Ja, mein Herz sank bei ihrem Anblick. Fast wünschte ich, der Nebel mochte sie wieder verhüllen.
    Und doch – ich ballte die Hände – ich musste dort hin. Ich musste zu dieser Burg. Tom war dort. Da war ich mir sicher.
    Während ich das dachte, schubste mich ein Traumloser rücksichtslos zur Seite.
    „Du kannst doch nicht einfach so stehen bleiben und den ganzen Verkehr aufhalten, du kleiner Narr!“, fuhr er mich giftig an. Erst jetzt bemerkte ich, dass ich mit offenem Mund und entsetztem Gesichtsausdruck dastand. Hastig drehte ich mich ab, bevor der Traumlose es bemerken konnte.
    Er machte eine verärgerte Handbewegung in meine Richtung, dann kümmerte er sich nicht weiter um mich. Er war auf der Suche nach einem Boot.
    Erneut hatte ich Glück gehabt. Doch ich musste unbedingt vorsichtiger werden.
    Die Menge trieb mich weiter vorwärts. Nur noch ein paar Schritte trennten mich von dem Ufer.
    Ich brauchte ein Boot. In alle Richtungen blickte ich, um meine Chancen abzuwägen. Ein Traumloser nach dem anderen stieg in die Boote. Sie stießen sich rasch vom Ufer ab und steuerten der Burg entgegen. Nicht nur Boote fuhren über den See, auch Flöße und alles, was sonst noch schwimmen konnte. Ich entdeckte sogar zwei Traumlose, die auf einem kleinen Baumstamm saßen, der über den Teer trieb. Es sah schon irgendwie komisch aus, wie sie sich daran klammerten, aber mir war trotzdem nicht zum Lachen zumute. Wahrscheinlich hatte dieser Ort noch nie ein Lachen gehört. Und ich fürchtete mich davor, wie er darauf reagieren würde.
    Schnell suchte ich wieder das Ufer ab, doch ein leeres Boot konnte ich nicht entdecken. Bei dem Andrang an dunklen Gestalten war es wohl unmöglich, ein eigenes Boot zu finden. Gerade als sich Verzweiflung in mir breit machen wollte, nahm ich nicht weit von mir einen Traumlosen wahr, der Anstalten machte, ein kleines Boot ganz alleine auf den See zu stoßen.
    Ich überlegte nicht lange, sondern drängte und zwängte mich durch die Massen hindurch. Ich erwischte das Boot an der Seite und hielt es fest.
    Der Traumlose blickte auf. Sein graues Gesicht war undurchdringlich.
    „Was willst du? Was fällt dir ein?“, zischte er mich mit eisiger Stimme an. Ein kalter Schauer lief mir den Rücken herunter. Ich schluckte und hoffte inständig, dass meine Stimme heiser und kalt genug klang, um nicht aufzufallen.
    „Nimm mich mit!“, forderte ich. Ich gab mir Mühe, die Angst zu verbergen, die mich innerlich zittern ließ, und verzog keine Miene.
    „Tsss, warum sollte ich? Lass los, du kleiner Bengel!“, fuhr mich der Traumlose an. Die Decke hing mir tief ins Gesicht. Er konnte nur mein graues Kinn sehen.
    „Nein!“, beharrte ich. „Nimm mich mit!“
    „Warum fährst du nicht mit deiner Familie? Hau endlich ab!“ Der Traumlose warf eine abfällige Handbewegung in meine Richtung. Er wollte mich fortscheuchen, doch meine Hand klammerte sich an dem Boot fest.
    Ich war entschlossen, aber nicht sonderlich kräftig. Er hätte nur einen einzigen Ruderschlag machen müssen und schon wäre ich in dem See aus Teer gelandet. So leicht wäre er mich losgeworden. Doch unerklärlicherweise tat er es nicht.
    „Ich werde nicht gehen.“, zischte ich mit ruhiger, aber bestimmter Stimme. „NIMM MICH MIT!“
    Der Traumlose schnaubte, fast klang es wie ein Lachen. Aber nur fast. „Junge, du machst mir Spaß. Aus dir wird mal was! Du bist aus dem rechten Holz geschnitzt! Komm endlich, spring rein!“
    Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Gerade noch rechtzeitig verkniff ich mir ein „Dankeschön!“ Vermutlich kannte man hier solche Wörter gar nicht.
    Wie eine Katze sprang ich lautlos in das Boot, und der Traumlose stieß es mit dem Ruder vom Ufer ab.
    „Bilde dir aber ja nicht ein, dass du umsonst mitkommst! Hier, du kannst auch was tun!“ Er drückte mir ein Ruder in die Hand. Ich nahm es wortlos an und

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