Traumjaeger und Goldpfote
jedoch feucht und klebrig. Sie hatten das Gefühl, durch einen dicken Nebel zu laufen. Die Luft in der Nähe des Eingangs zu Dachschattens Tunnel war anderer Art gewesen. Gleichwohl sah er keinen Sinn darin, sich darüber zu streiten, und behielt seine Zweifel für sich.
Wenn sie ihren Ohren und Schnurrbärten trauen durften, bewegten sie sich durch einen breiten Gang mit einem hohen Dach. Da hörte Traumjäger ein neues Geräusch: etwas, das sich – wenn auch entfernt – so anhörte wie das Tappen leiser Pfotentritte. Flüsternd verständigte er Dachschatten, und angestrengt lauschend gingen sie langsam und fast geräuschlos weiter. Wenn es Pfotentritte waren, mussten sie ziemlich weit entfernt sein, da sie nahezu unhörbar waren. Die beiden Flüchtlinge gingen ein wenig schneller. Der Bogengang – etwas Ähnliches musste es sein – verengte sich mit einem Mal. Plötzlich war der Tunnel so niedrig, dass Traumjäger mit seiner Stirn gegen das Dach prallte. Dieser Tunnel wand sich, fiel ab, stieg dann wieder, als sei man beim Graben großen Felsen oder anderen Hindernissen ausgewichen. Fritti und Dachschatten bückten sich tief hinunter, gingen immer langsamer, und schließlich krochen sie. Zum Schluss öffnete sich der Durchstich in eine geräumige Kammer mit ebenem Boden. Sie hatten einige Schritte gemacht, als Traumjäger etwas Sonderbares bemerkte.
»Dachschatten!«, zischte er aufgeregt. »Da ist Licht!«
Es stimmte, obgleich man es nur durch den Gegensatz zu der dichten Schwärze wahrnehmen konnte, die sie gerade durchquert hatten. Das Licht kam hinter einer Ecke hervor, die sich am entfernten Ende der mächtigen Kammer befand, und es war dünn und scheinbar ohne Quelle. Es schien auch nicht dieselben Eigenschaften zu haben wie das der leuchtenden Erde.
»Ich glaube, wir sind in der Nähe des Ausganges!«, sagte Dachschatten, und sekundenlang glaubte Fritti in ihren Augen ein Funkeln zu sehen. Sie begannen schneller zu gehen, immer schneller, dann rannten sie. Nun konnten sie die Hindernisse sehen – mächtige Baumwurzeln und Steine, die am Ende der großen Halle schwarz gegen das schwache Leuchten aufragten. Die Luft war noch frostig, doch nun trockener. Überall war Staub, viel Staub.
Er hatte einen Vorsprung vor Dachschatten, die plötzlich zurückwich und rief: »Traumjäger! Hier stimmt etwas nicht!« Dann erhob sich zwischen ihnen eine schwarze Gestalt, und kaum hatte sie sich bewegt, war die Luft von einem widerlich würzigen Duft erfüllt. Dachschatten quiekste – ein sonderbares, halbersticktes Geräusch – und Fritti kam stolpernd zum Stehen.
Beide Katzen standen wie gelähmt. Eine trockene Stimme, wie Äste, die sich aneinander reiben, löste sich aus der dunklen Gestalt.
»Hier werdet ihr nicht weitergehen«, sagte sie. Die Worte waren leise, als würden sie in großer Entfernung gesprochen. »Ihr gehört nun dem Knochenwächter!«
»Nein!«, dröhnte eine zweite Stimme. Ungläubig, erstarrt in einem sonderbar übersteigerten Entsetzen, sah Fritti plötzlich die eingesunkenen Augen und das missgebildete Gesicht Kratzkralles aus der Dunkelheit hinter Dachschatten auftauchen. Halb ohnmächtig sackte die graue
Fela
zusammen und senkte den Kopf. »Ich habe sie Heißblut und seiner Zahngarde weggenommen. Diese zwei gehören mir!«, knurrte Kratzkralle, kam jedoch nicht näher.
»Du hast keinen Anspruch auf sie«, wisperte die eigentümlich seufzende Stimme. »Niemand darf sich Tiefducker in den Weg stellen. Ich handle auf Geheiß des Allerhöchsten Herrn.« Leicht schwankend bewegte sich Tiefducker mit einem leisen Geräusch wie von knisterndem Leder, und der Anführer der Krallengarde bebte vor Angst und wich wie von einem Schlag getroffen zurück.
»Nimm die
Fela
, wenn du willst«, fuhr Tiefducker fort. »Uns geht es um den anderen der beiden. Geh jetzt. Du bist in unergründliche Gefilde eingedrungen.«
Kratzkralle wimmerte, als sei er verwundet, packte Dachschatten, die sich nicht wehrte, beim Genick, drehte sich um und verschwand in dem dunklen, unübersichtlichen Tunnel.
Fritti versuchte Dachschatten etwas nachzurufen, doch es kam kein Laut über seine Lippen. Seine Gelenke zitterten vor Anstrengung, als er sich abmühte, sich loszureißen und zu rennen.
Die dunkle Gestalt Tiefduckers drehte sich um – er war eine Katze, doch sein Körper war trotz des Leuchtens hinter Traumjägers Rücken in dichtes Dunkel gehüllt. Fritti brachte es nicht über sich, ihm ins Gesicht zu sehen,
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