Traumjaeger und Goldpfote
vor der Steigenden Dämmerung einen Unterschlupf finden musste – wenn die grausigen Schemen von unten aus den Tunneln kommen würden, um ihn zu jagen …
Hinter ihm war der Schnee rotgesprenkelt …
Am späten Nachmittag war Fritti noch immer auf der Flucht, hilflos, ohne nachzudenken. Rasch ließen seine Kräfte nach. Seit dem Morgen des vergangenen Tages hatte er nichts mehr zu sich genommen; und das war – wie alle Tunnelsklaven wussten – kaum ausreichend gewesen.
Traumjäger war nun in den tiefen Wald vorgedrungen. Baumsäulen stützten das Dach des Waldes, der Boden war überall mit Eis überzogen. Ermüdung und grelles Licht ließen seine Augenbrennen und tränen, und von Zeit zu Zeit bildete er sich ein, etwas vorbeihuschen zu sehen. Er blieb stehen und kauerte sich mit pochendem Herzen auf der kalten Schneedecke zusammen … doch nichts bewegte sich, nichts: eine gefrorene Welt. Der alte Wald, aus dem das Leben durch die Fäulnis, die in seiner Nähe wucherte, vertrieben war – so schien es wenigstens –, rührte sich nicht, doch insgeheim hörte er Frittis knirschende Tritte. Regungslos sah er seinem Kampf zu.
Während der Tag sich dahinschleppte und der beißende Schmerz in Frittis Nase, Ohren und Pfoten verschwand, um von einer rätselhaften Gefühllosigkeit ersetzt zu werden, bildete er sich immer wieder ein, eine unmerkliche Bewegung in seiner Umgebung wahrzunehmen. Aus dem Augenwinkel erspähte er huschende, schattenhafte Figuren; wenn er jedoch den Kopf wandte, erblickte er lediglich schneebeladene Bäume.
Er begann sich zu fragen, ob er nicht tatsächlich verrückt sei, verfolgt von Schatten wie der alte Grillenfänger, wenn er bei einem plötzlichen Seitenblick flüchtig ein Auge aufschimmern sah. Es war sogleich wieder hinter den Zweigen verschwunden, die es eingerahmt hatten, doch es war ein Auge gewesen. Er war dessen sicher.
Als kurz darauf eine Bewegung am Rande seines Blickfeldes seine Aufmerksamkeit auf sich zog, drehte er sich nicht um, sondern stakste weiter und beobachtete sie mit einer Art gleichgültiger Verschlagenheit. Seine Erschöpfung hatte einen Grad erreicht, dass er nicht einmal daran dachte, es könnte sich um einen umherschleichenden Feind handeln. Wie ein Kätzchen, das mit einer baumelnden Ranke spielt – zuerst scheu und uninteressiert und im nächsten Augenblick zum todbringenden Sprung ansetzend –, konnte er nur an das sich bewegende Wesen denken, das er fangen wollte, um dem Spiel ein Ende zu machen.
Fritti senkte den Kopf, und die hellroten Tropfen färbten den Schnee nun ungleichmäßiger. In den Bäumen zu seiner Rechtensah er etwas Dunkles, das mit blitzartiger Geschwindigkeit auftauchte und ebenso rasch wieder verschwunden war. Er tat so, als habe er nichts gemerkt, lenkte aber seine Schritte allmählich in diese Richtung, bis er noch ungefähr einen Sprung von der Baumgruppe entfernt war.
Erneut rührte sich etwas, diesmal direkt vor ihm – er musste sich beherrschen, um nicht loszuspringen.
Langsam und mit Bedacht …
Er blieb einen Augenblick stehen; er kauerte nieder, um eine seiner blutenden Pfoten zu lecken, doch während der ganzen Zeit spannte er die Muskeln, ohne auf die Schmerzen zu achten, wartete … wartete auf die nächste Bewegung … jetzt! Halb springend, halb taumelnd brach Fritti durch das Gestrüpp mit fliegenden Pfoten. Von den niedrig hängenden Zweigen war etwas abgeschüttelt worden und huschte vor ihm her. Er raffte all seine Kraft zusammen und sprang.
Als seine Pfoten aufprallten, schlug er mit dem Kopf zuerst gegen einen Baumstamm und rollte betäubt seitwärts, doch unter ihm zappelte etwas Kleines und Warmes. Er drückte das unbekannte Lebewesen mit einer Vordertatze zu Boden, stand auf und schüttelte sich. Er schien sich nicht verletzt zu haben – nicht verletzt, dachte er, aber müde … so schrecklich müde …
Jetzt erst warf er einen verschwommenen Blick auf seine Beute. Es war ein Eichhörnchen, dessen Augen vor Entsetzen aus den Höhlen traten und das die langen, flachen Zähne bleckte.
Rikschikschik
, sagte er sich. Da war doch etwas mit ihnen … waren sie ungenießbar? Giftig? Ihm war, als wäre sein Kopf im Schnee vergraben. Warum war ihm so kalt? Warum kann ich nicht klar denken? Eichhörnchen. Sollte ich diesem
Rikschikschik
nicht etwas sagen?
Er dachte angestrengt nach. Auf den kleinen Körper und den zitternden buschigen Schwanz niederblickend, spürte er eineschemenhafte Erinnerung. Er hob
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