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Traumjaeger und Goldpfote

Traumjaeger und Goldpfote

Titel: Traumjaeger und Goldpfote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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in die dunklen Flecken, wo gewöhnlich die Augen waren. Er wandte sich ab, er kämpfte – und für kurze Zeit gelang es ihm. Seine Beine wollten ihm kaum gehorchen, doch es gelang ihm, sich umzudrehen und mit letzter verzweifelter Kraft vom Knochenwächter fortzukriechen
    »Es gibt kein Entrinnen«, flüsterte der Wind.
    Nein, dachte Fritti, das ist nicht der Wind. Lauf, du Narr! »Kein Entrinnen«, hauchte der Wind, und Fritti spürte, wie seine Kraft nachließ. Nicht der Wind, muss entrinnen, muss entrinnen …
    »Komm nun mit mir.« Das war nicht der Wind, er wusste es. Er kroch weiter. »Ich werde dich mitnehmen zum Haus des Knochenwächters«, leierte die gefühllose Stimme Tiefduckers in der Dunkelheit hinter ihm. »Immerfort tönen die Flöten in der Dunkelheit, und die Gesichtslosen, Namenlosen singen an den tiefen Plätzen. Es gibt kein Entrinnen. Meine Brüder erwarten uns. Komm!«
    Fritti konnte kaum atmen. Der Geruch von Staub, Gewürzen und Erde betäubte ihn … sickerte in ihn ein.
    »Wir tanzen in der Dunkelheit«, sang Tiefducker, und Fritti spürte, wie seine Muskeln steif wurden. »Wir tanzen in der Dunkelheit und wir lauschen der Musik der Stille. Unser Haus ist tief und verborgen. Die Erde ist unser Heim …« Das Licht schien heller zu werden, Traumjäger hatte es fast geschafft, die Biegung des Tunnels zu erreichen. Verblüfft zwinkerte er mit den Augen. Vor ihm war völlig unerwartet die dunkle Gestalt Tiefduckers aufgetaucht und versperrte das Ende des Tunnels. Ein trockener,giftiger Luftstrom schien von dem Knochenwächter auszugehen. Halb erstickt sackte Fritti zu Boden und konnte nicht weiterkriechen. Die Kreatur stand über ihm, eine ferne Stimme summte unbekannte Laute. Entsetzen schoss in ihm hoch, glühende Panik, und irgendwo fand er die Kraft, sich nach vorn zu werfen. Er spürte, wie das staubige Fell Tiefduckers unter der Wucht seines Aufpralls nachgab. Sein Gegner schrumpelte zusammen – ein Geräusch wie von brechenden Zweigen – und umklammerte Fritti, als dieser sich mit dem letzten Rest seiner schwindenden Kraft an ihm vorbeizudrängen versuchte. Am äußersten Rand des Tunnels war eine Lache von Licht. Ihr strebte er zu und der Freiheit, die sie bedeutete.
    Aber der Knochenwächter hielt ihn fest, und in der Dunkelheit umhüllten der erstickende Staub und der süßliche Geruch die zwei kämpfenden Gestalten wie ein dritter Schatten. Fritti spürte, wie sich die Tatzen des Knochenwächters – spröde, aber stark wie Baumwurzeln, die Fels spalten – um seinen Hals schlossen. Die aufgesperrte, trockene Schnauze suchte nach seiner Kehle. Mit einem Schrei äußerster Abscheu schlug Traumjäger wild um sich.
    Als er sich von der Kreatur losriss, gab es ein greuliches, reißendes Geräusch. Große Fetzen krumpeliger Haut und abgerissenen Fells blieben in seinen Krallen und Zähnen hängen – und als er auf das Licht zutaumelte, konnte er das matte Aufschimmern alter, brauner Knochen und den grinsenden Schädel Tiefduckers sehen.
    Als er den kurzen Schacht hinaufkletterte, spürte er einen sengenden Schmerz. Zwischen seinen Augen hämmerte und brannte es. Als er die grau-blaue Scheibe des Himmels über sich schweben sah, drehte er sich einen Augenblick um – und sah das entsetzliche Geschöpf hinter sich. Es stand in den Schatten am Grund des Tunnels, und sein Knochenmund öffnete und schloss sich langsam.
    »Ich werde an dich denken, bis die Sterne sterben …«, fluchte die ferne, tonlose Stimme. Wieder flackerte das Feuer in Frittis Schädel auf, dann war es verschwunden.
    Traumjäger quälte sich über den Rand des Loches. Das Licht war so hell, dass Punkte vor seinen Augen tanzten. Humpelnd, beinahe vorwärtsfallend, taumelte er von dem Loch fort … fort von Vastnir.
    Die Welt war weiß. Alles war weiß. Dann wurde alles schwarz.



24. KAPITEL
    Oh, zaubrischer Schlaf! Oh, trostreicher Vogel,
    Der du dich senkst auf das aufgewühlte Meer meiner Seele,
    Bis es besänftigt ist und still.
     
    John Keats
     
    S chmerz und Erschöpfung wüteten unter Traumjägers Fell. Hoch am Himmel hing der kalte, lodernde Stein der Sonne. Die Welt war mit Schnee bedeckt; Bäume, Steine und Erde waren in ein glattes, weißes Tuch geschlagen. Wie mit kleinen Nadeln stach der Schmerz in Frittis Pfoten, als er durch den Rattblatt-Wald stolperte.
    Seit er das Bewusstsein wiedererlangt hatte, war er nahezu blindlings fortgerannt, um möglichst weit von dem Hügel wegzukommen. Er wusste, dass er

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