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Traumjaeger und Goldpfote

Traumjaeger und Goldpfote

Titel: Traumjaeger und Goldpfote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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auf seinem Gesicht schien sich zu verändern, in eine Art Furcht umzuschlagen. »Bist du es wirklich, Sterngesicht?« Er schien Traumjäger zum ersten Mal wirklich wahrzunehmen, als habe er gegen Geister oder Schatten gekämpft, die plötzlich eine körperliche Gestalt angenommen hatten. Dann begann Kratzkralles Gesicht langsam wieder den Ausdruck von Hass zurückzugewinnen.
    »Du hast mich vernichtet, du kleine Sonnenratte«, fauchte er. Der Krallenwächter schwenkte seinen Kopf hin und her und blickte suchend und verwirrt in die fernsten Winkel der Höhle.
    »Was ist geschehen?«, schrie er. »Was ist geschehen mit meinem …«
    Ein grässliches, malmendes Krachen ertönte, und dann schosseine große Woge grauer Felsen vor Frittis Augen vorbei, und Kratzkralle war wie weggewischt. Dann war auch die Steinwoge verschwunden. Plötzlich war Traumjäger allein auf dem Felsgrat. Er drehte qualvoll den Kopf und sah die letzten der rutschenden Felsbrocken die schräge Steinwand unter ihm hinabpoltern und mit einem mächtigen Aufspritzen in dem angeschwollenen Fluss verschwinden. Von Kratzkralle war dort keine Spur zu sehen.
    Fritti zog sich hoch und kletterte mühsam über die verstreuten Überreste des Steinschlages, dann ging er humpelnd den gewundenen Pfad hinauf. Jetzt zitterte und bebte die Höhle bedenklich; das Wasser des Flusses sprang und tanzte in gewaltigen Fontänen, die bis zum Dach des Gewölbes aufstiegen. Die Hitze war bedrückend. Traumjäger musste seine ganze Entschlusskraft aufbieten, um sich nicht hinzulegen, zu bleiben, wo er war, und sich nicht mehr zu rühren.
    Er erreichte einen Tunnel, der hinausführte. Hinter ihm drohte die Höhle sich selbst in Stücke zu sprengen. Schwerfällig setzte er eine Pfote vor die andere und torkelte vorwärts, bis er nicht mehr weiterkonnte. Dann fiel er mit dem Gesicht nach unten auf den Boden des Tunnels. Verschwommen sah er etwas, das bei genügend Phantasie ein Fetzen Himmel sein konnte. Auch die Tunnelwände bebten. Wie lustig, dachte er verwirrt. Jedermann weiß doch, dass es unter der Erde keinen Himmel …!
    Das letzte Geräusch, das er hörte, war ein schmetterndes Krachen aus der Höhle. Es hörte sich an, als wären alle Bäume des Rattblatt-Waldes auf einen Schlag umgestürzt. Dann brach hinter ihm der Tunnel zusammen.

30. KAPITEL
    Arme verwirrte Seele! Rätselnde, bestürzte labyrinthische Seele!
     
    John Donne
     
    D er Frühling brach auf und strömte ins Freie und trieb kühne Düfte und Gerüche hervor – die ganze Erde unter Traumjägers Rücken regte sich warm von neuem Leben. Bald würde er aufstehen, sich zu seinem Nest zurücktrollen, zu seinem Kasten in der Vorhalle der
M’an
-Wohnung … doch für den Augenblick war er damit zufrieden, sich im Gras zu räkeln. Eine Brise ruffelte sein Fell. Sorglos strampelte er mit seinen Beinen in der Luft und genoss den kühlen Hauch. Hinter ihm lag ein langer Tag. Er war hinter Quiekern hergejapst, hatte sich an Bäumen geschubbert, und jetzt, mit geschlossenen Augen daliegend, hatte er das Gefühl, immer so liegen zu können.
    Der flaumleichte Wind trug ihm ein winziges Quieken zu, so fein wie der jubelnde Aufschrei einer Wühlmaus, die tief in der Erde einen Schatz findet. Tief, tief in der Erde. Wieder kam der Schrei – nun lauter –, und Fritti glaubte seinen Namen zu hören. Warum ihn wohl jemand stören wollte? Er versuchte in seinen angenehmen Tagtraum zurückzutauchen, doch die flehentliche Stimme wurde drängender. Die Brise nahm zu und sang in seinen Barthaaren und Ohren. Warum sollte ihm sein glücklicher Tag verdorben werden? Es konnte Goldpfotes oder Dachschattens Stimme sein.
Felas
waren alle gleich. Sie behandelten dich wie ein altes Wiesel, bis sie dich brauchten, und dann liefen sie hinter dir her und heulten wie am Spieß. Seit er Goldpfote zurückgebrachthatte … von … wo? … Wo hatte er sie gefunden? Seitdem war nicht mehr als ein Auge vergangen …
    »Traumjäger!« Wieder dieser Schrei. Seine Stirn furchte sich, doch er wollte sich nicht dazu bequemen, seine Augen zu öffnen. Oder … vielleicht nur für einen schnellen Blick …
    Warum sah er nichts? Warum war alles schwarz?
    Die Stimme schrie abermals. Sie klang, als verschwände sie in einem langen, dunklen Tunnel … oder als falle er selbst … in die Dunkelheit …
    Das Licht!
Wo war das Licht?
     
    Irgendjemand – oder irgendetwas – leckte sein Gesicht. Eine rauhe, beharrliche Zunge schabte über die wundesten

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