Traumjaeger und Goldpfote
Lichtfleck auf sein Gesicht.
Es war tatsächlich Grillenfänger! Das trübe Licht zeigte seine Augen mit den wirren Linien von geborstenem Eis. »Mein Blut hat den Wirbelwind gerufen!«, schrie Grillenfänger. »Das saugende, wirbelnde Ding … oh, habt Erbarmen. Ich bin in seiner Mitte, es wird mich nie loslassen … oh, selbst die Leere wäre süß dagegen …!«
Als die letzten Echos des Schreis nach draußen in den Gang rollten, hörte Fritti das Geräusch rennender Pfoten und rauher, fragender Stimmen. Sie waren entdeckt. Er machte eine letzte Anstrengung, sich zu befreien, doch Grillenfänger hielt ihn mit der Kraft eines Wahnsinnigen fest.
Er hätte ebenso gut unter einer umgestürzten Eiche eingeklemmt sein können. Hilflos. Er schloss seine Augen und wartete auf den Tod. Die Zeit schien dahinzuschleichen wie schon damals, als die Krallenwächter aus der Nacht aufgetaucht waren … vor langer, langer Zeit. In die Erinnerung treibend, nahm er an deren Rand verschwommen etwas wahr. Es war das Gebet, das Zitterkralle ihn gelehrt hatte – oder eher der Anfang davon. Während er träge über die Bruchstücke des Liedes nachsann, vernahm er zur gleichen Zeit die schlurfenden Geräusche außerhalb des Felsspaltes und das dumpfe Wehklagen Grillenfängers.
Stückchenweise wurde das Lied seinem geistigen Auge sichtbar … Tangalur, feuerhell … ja, so fing es an. Merkwürdig, dass er sich gerade jetzt daran zu erinnern versuchte. »Tangalur, feuerhell …«, sagte er nun laut. Welch angenehmer Gegensatz zu den rauhen Atemzügen Grillenfängers und den rauhen Rufen der Untiere da draußen. Wie von selbst drängten sich weitere Worte in seine Stimme, und das Lied bildete sich neu. »Flammenfuß, der am weitesten ging … dein Jäger spricht …« Wie ging es weiter, wie endete es? O ja: »… in Not, doch niemals in Furcht.« Das war es.
Er sang es abermals von Anfang bis Ende und vergaß den neben ihm keuchenden Grillenfänger. Die Krallenwächter oben im Tunnel waren merkwürdig still.
Tangalur, feuerhell,
Flammenfuß, der am weitesten ging!
Dein Jäger spricht,
Denn er ist in Not.
Er geht in Not,
Doch niemals in Furcht.
Sogar mit geschlossenen Augen nahm Fritti eine Veränderung wahr. Licht strömte herein, ein leuchtendes Scharlachrot auf der Innenseite seiner Lider. Die leuchtende Erde musste wieder erglänzen. Er öffnete die Augen … doch das Licht aus dem Spalt war ebenso fahl wie zuvor. Stattdessen breitete sich in der Höhle selbst ein roter Glanz aus.
Grillenfängers Beine und Pfoten hatten in der Dunkelheit zu strahlen begonnen, als stünden sie in Flammen.
Grillenfänger fing an, sich sonderbar zu rollen und herumzuwerfen. Das Licht breitete sich aus, und die rot erhellte Luft begann aus sich selbst zu leuchten wie in starker Hitze, obgleich die Temperatur sich nicht änderte. Dann fuhr ein gewaltiger Blitznieder, und so als singe das gesamte Volk gemeinsam unter Tiefklars Auge, rief eine Stimme triumphierend:
»ICH BIN …«
Diese reine Gewalt schleuderte Fritti zurück, und er schlug mit dem Kopf gegen die Wand. Als er sich betäubt zurückrollte, sah er, dass das mächtige Licht geschwunden war. Vor ihm krümmte sich Grillenfänger, schwarzleibig und fast unsichtbar – seine Beine rot wie Feuer, rot wie der Sonnenuntergang. Die Zeichen des Wahnsinns und der Unordnung waren verschwunden, das Fell war dicht und weich, Grillenfängers Augen starrten Traumjäger an. Nie hatte Fritti solche Weisheit, solche Liebe und solchen Stolz gesehen. Doch auch ein Hauch von Traurigkeit umhüllte ihn wie ein zweites Fell. Fritti wusste, dass er der Verkörperung all dessen gegenüberstand, was seine Rasse groß machte.
»
Nre’fa-o
, kleiner Bruder«, sagte Grillenfänger zu ihm – doch Fritti wusste nun, dass es nicht mehr Grillenfänger war, der zu ihm sprach: Das wahre
Ka
war zurückgekehrt. Die Stimme war die Musik der Nacht, sie war schwer vom Wissen um den alten, anmutigen Tanz, den die Erde und ihre Dinge kennen. Fritti fiel auf den Bauch und verbarg seine Augen hinter seinen Pfoten. Er rollte sich zu einer Kugel zusammen.
»Nein, kleiner Bruder«, sagte die wunderbare Stimme, »tu das nicht. Du brauchst dich vor mir nicht zu schämen – ganz im Gegenteil. Du hast mir geholfen, meinen Weg zurück zu finden nach einer langen, dunklen Reise und in einer Zeit großer Not. Ich bin es, der sich vor dir und deinen Mühen verneigen sollte.« So sprach Fürst Feuertatze – denn niemand anderes war
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