Traumjaeger und Goldpfote
Alle Achtung! Ich bin völlig sprachlos.« Polternd und schlitternd kam Spindelbein, ganz außer Atem, in die Vorhalle gestürmt. Er beäugte Fritti mit komischer Verwirrung. »Hast du das allen Ernstes vor?«
In diesem Augenblick – obgleich er sich mit allen Kräftendagegen sträubte – hörte Fritti sich sagen: »Selbstverständlich, Spindelbein. Ich muss.«
Nachdem er diese fremden Worte ausgesprochen hatte, war ihm sogleich, als rollte er kopfüber einen Abhang hinunter. Wie wollte er jetzt noch alles aufhalten? Konnte er jetzt noch daheimbleiben? Was sollten die anderen denken! Der gewaltige Traumjäger, der vor der Mauer auf und ab stolzierte und allen, die vorbeikamen, von seiner Fahrt erzählte. Oh, wäre ich doch älter, dachte er – und nicht so töricht! Zu seiner eigenen Überraschung beugte er sich nach vorn und leckte seine Pfoten mit einer gewollten Ruhe, um bei seinem Freund Eindruck zu machen. Ein Teil seiner selbst hoffte fieberhaft, Spindelbein werde ihm raten, nicht zu gehen – vielleicht sogar mit einer guten Begründung aufwarten.
Aber Spindelbein grinste bloß und sagte: »Harar! Pfotenflink und ich sind sehr neidisch. Wir werden dich vermissen, wenn du fort bist.«
»Auch ich werde euch alle sehr vermissen«, sagte Fritti und wandte plötzlich seinen Kopf zur Seite, als suche er nach Flöhen. Nach einem Augenblick des Schweigens drehte er sich wieder um. Sein Freund betrachtete ihn mit einem sonderbaren Gesichtsausdruck.
Nach einem weiteren Schweigen fuhr Spindelbein fort: »Ja, ich denke, jetzt geht’s ans Abschiednehmen. Von Pfotenflink und Käferscheuch und den anderen soll ich dir besonders herzliche Grüße sagen. Sie wären ja vorbeigekommen, wenn nicht gerade ein großes Spiel im Schwanzfangen angekündigt wäre. Sie müssen noch mehr Teilnehmer zusammentrommeln.«
»So?«, sagte Fritti mühsam. »Schwanzfangen? Nun, ich glaube, ich werde eine Zeitlang für diese Art von Spiel nicht viel Zeit haben … Ich hab’s eigentlich nie richtig gemocht, weißt du?«
Spindelbein grinste wieder. »Ich vermute, du wirst gar keine Zeit dazu haben, stimmt’s? Welche Abenteuer du erleben wirst!«
Spindelbein blickte in die Runde und schnüffelte die Luft. »Ist der kleine Raschkralle schon bei dir gewesen?«
»Nein«, erwiderte Traumjäger. »Warum?«
»Oh, er erkundigte sich, von wo und wann du aufbrichst. Kam mir ganz betrübt vor, also habe ich angenommen, dass er versuchen würde, dich zu erwischen, um dir eine gute Reise zu wünschen. Ich glaube, er hält ziemlich große Stücke auf dich. Ja, ich glaube, er wird dich vermissen.«
»Mich?«
»Ja. Nun, das Steigende Licht ist fast vorüber, und du wolltest aufbrechen, bevor die Zeit der Kleineren Schatten kommt. War’s nicht so?«
»Oh, ja. Gewiss.« Traumjäger kam es vor, als habe er Blei in den Beinen. In Wirklichkeit wollte er nichts anderes, als in seinen Kasten zurückkriechen. »Ich denke, es wird Zeit, dass ich mich auf den Weg mache«, sagte er mit schwacher Fröhlichkeit.
»Ich bringe dich noch bis zum Feldrand«, erwiderte sein Freund.
Während sie gingen – Spindelbein hüpfend und plappernd, Fritti schwerpfotig und schlurfend –, versuchte Traumjäger sich zu erinnern und jeden Duft seiner vertrauten Heimat in sich zu bewahren. Stumm und ein wenig gefühlvoll verabschiedete er sich von der schimmernden Grasfläche, dem schmalen, fast ausgetrockneten Bach und seiner liebsten Ligusterhecke. Diese Felder werde ich vermutlich nie wiedersehen, dachte er. Und in einem Jahr oder weniger werden sie mich vermutlich alle vergessen haben.
Kurze Zeit war er sehr stolz auf sich selbst, weil er so tapfer und opferbereit war. Als sie aber den Rand des wogenden Grasmeeres erreicht hatten, er sich umdrehte und die schwachen Umrisse des
M’an-
Nestes sah, wo in der Vorhalle sein Schlafkasten und sein Napf standen, verspürte er ein solches Brennen in Naseund Augen, dass er sich einen Augenblick niedersetzen und sich mit der Pfote über das Gesicht fahren musste.
»Ja …« Spindelbein war mit einem Mal ein wenig verlegen. »Gute Jagd und guten Tanz, Freund Traumjäger. Ich werde an dich denken, bis du zurück bist.«
»Du bist ein guter Freund, Spindelbein.
Nre’fa-o
.«
»Nre’fa-o.«
Und Spindelbein machte sich rasch davon.
Fünfzig Schritte innerhalb der Alten Wälder und noch in den vergleichsweise sonnigen und luftigen Ausläufern des Waldes hatte Fritti bereits das Gefühl, die einsamste Katze auf der Welt zu
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