Traumjaeger und Goldpfote
Bestürzung und Entsetzen. Tock! … Tock-tock-tock! – und ein neuer Schauer von Nüssen und Steinen prasselte auf ihn nieder. Fritti begann herzzerreißend zu heulen.
»Warum tut – au! – ihr mir weh?«, schrie er, und als Antwort traf ihn eine Haselnuss an seiner empfindlichen rosigen Nase. »Ich habe niemandem hier etwas zuleide getan! Warum tut ihr – au! – mir weh?«
Eine neue Folge rascher Schläge ertönte, dann war es still. Dann kam von oben aus den Bäumen eine schrille, plärrende Stimme.
»Kein Leid getan, sagt, sagt er!« Die Stimme überschlug sich vor Zorn. »Lügner, Lügner, Lügner, du, du! Bist Mörder! Hergekommen, hergekommen, zu jagen, zu töten. Lügner-Katze, Lügner-Katze!«
Obwohl die Stimme sehr schnell und aufgeregt sprach, konnte Fritti die Worte des Gemeinsamen Gesanges verstehen. Er bemühte sich, in dem Rankenwerk einen besseren Halt zu finden.
»Sagt mir, was ich getan habe!«, bat er und hoffte Zeit zu gewinnen, den sicheren Rand zu erreichen, den er fast mit der Pfote berühren konnte. Ein wütendes Gekecker, das er nicht verstehen konnte, kam von allen Bäumen gleichzeitig; dann brachte das schlagende Geräusch die Stimmen wieder zum Schweigen.
»Wir sind keine dummen Nüsseknacker, nein, nein! Nicht für dich, böse Katze, böse Katze, das Volk der
Rikschikschik
, das du hänseln und zum Narren halten kannst, o nein, nein!«
Die
Rikschikschik!
Das Eichhörnchenvolk! Sogar in dieser Lage, mit den Spitzen der Krallen an einem Brombeerstrauch hängend, kam es Fritti einen Augenblick lang wie ein Wunder vor. Es war bekannt, dass die Eichhörnchen Eindringlinge mit Zischen und Zetern empfingen und sogar bösartig kämpften, wenn sie in die Enge getrieben wurden – sie zählten zu den stärksten und tapfersten der Quieker-Völker. Dass sie sich jedoch zusammenrotteten, um einen aus dem Volk anzugreifen, der noch nicht einmal auf der Pirsch gewesen war? Es war nicht zu fassen!
»Hört mich, o
Rikschikschik!
«, rief Fritti. In seinen Krallen begann die Anstrengung spürbar zu werden. »Hört mich an! Ich weiß, dass euer Volk und das meine Feinde sind, aber das ist eine Sache der Ehre! Wir sind, wie wir sind. Doch ich versichere euch, dass ich nicht vorhatte, euch zu belästigen oder über eure Nester herzufallen. Ich bin auf der Suche nach einer Freundin und werde hier weder fressen noch jagen. Ich schwör’s bei den Erstgeborenen!« Er wartete gespannt auf eine Antwort, doch die Bäume blieben stumm.
Dann glitt ein großes braunes Eichhörnchen am Stamm einer Espe nach unten – kopfüber und gemächlich – und blieb zwei Sprünge von Traumjäger entfernt, der zwischen Himmel und Erde hing, sitzen. Das
Rikschikschik
sah böse aus, seine Lippen entblößten seine langen Vorderzähne, doch es hatte nur den vierten Teil von Frittis Größe. Er musste diesen Mut bewundern.
»Schwänze, Zähne, Lügen. So sind, sind Katzen!« Das Eichhörnchen sprach noch immer wütend, jedoch langsamer, und war jetzt besser zu verstehen.
»Trauen, trauen? Nein. Katzen haben Frau Surr genommen. Böse Katzen, schlimme Katzen!«
»Ich habe niemandem etwas zuleide getan, ich schwör’s!«, rief Fritti jammernd.
»Viele Zähne-und-Krallen greifen Nester an! Gerade jetzt, jetzt hat Töte-Katze mein Hörnchen gefangen, meine … Freundin. Gefangen! Verdorbene Vorräte, herausgewühlte Nüsse! Nichts als Schrecken und Entsetzen!«
Schmerz schoss hinauf in Traumjägers Beine, und er fand es anstrengend, klar zu denken. Vorsichtig streckte er eine Pfote nach dem Rand des Abgrundes aus, um den Druck auf seine Hinterbeine zu verringern. Ein Stein, von oben aus einem Baum geworfen, traf die tastende Pfote – er verlor beinahe den Halt, als er den verwundeten Fuß zurückzog. Ein schriller Chor von Eichhörnchenstimmen hoch im Blattwerk schrie nach Blut.
Er versuchte, sich auf das zu konzentrieren, was das braune Eichhörnchen sagte.
»Meinst du, dass in diesem Augenblick eine Katze deine Gefährtin in ihrer Gewalt hat? Hier in der Nähe?«
»Knochen von Vögeln! Schrecken, Leid! Arme Frau Surr. Gefangen, gefangen ist sie!«
Fritti ergriff die Gelegenheit beim Schopfe. »Hör mal zu! Bitte, werft keine Steine herunter. Ich bin euch auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Ich will versuchen, deine Freundin zu retten,wenn ich nur diesen Ort verlassen darf! Du brauchst mir nicht zu trauen. Kehre auf deinen Baum zurück, und wenn ich zu entfliehen versuche oder euch Leid antue, könnt ihr Klumpen
Weitere Kostenlose Bücher