Traumjaeger und Goldpfote
verlässt«, sagte er. »Das wird dich in eine günstige Richtung bringen. Zögere nicht, auf deiner Reise meinen Namen als Empfehlung zu nennen. In manchen Gegenden erinnert man sich gut an mich. Nun muss ich gehen.«
Langstrecker trottete ein paar Schritte fort. Fritti, von den Ereignissen überwältigt, saß da und sah ihm nach.
Die große Katze drehte sich um. »Bist du in die Jagd eingeweiht worden, Traumjäger?«
»Hm …« Zerstreut, wie er war, brauchte Fritti einen Augenblick, um sich zu sammeln. »Hm … nein. Die Zeremonie sollte auf dem Treffen nach dem nächsten Augenaufgang stattfinden.«
Langstrecker schüttelte den Kopf und kam mit federnden Sprüngen zu ihm zurück. »Es ist weder genug Zeit noch die richtige Umgebung für den Jagdgesang«, sagte er, »aber ich werde mein Bestes tun.« Wie betäubt sah Fritti zu, wie Langstrecker sich auf seine mächtigen Hinterbacken niederließ und seine Augen schloss. Dann begann er, mit einer Stimme, die lieblicher war, als Traumjäger erwartet hatte, zu singen:
Urmutter, deine Jagdgeschenke
Preisen wir nun,
Preisen wir nun.
Dein Auge behüte uns
Und zeige uns
Die rechten Wege.
Die Sonne ist flüchtig,
Das Auge ist ewig.
Urmutter, höre uns.
Wir flehen dich an,
Wir flehen dich an.
Deinem Licht sind wir treu
Mit Kralle, Zahn und Gebein.
Langstrecker saß mit fest geschlossenen Augen einen Moment da, dann öffnete er sie und sprang wieder auf die Pfoten. Bis aufdas Funkeln in den Augen schien keine Spur mehr von jener langsam sprechenden und trägen Katze vorhanden zu sein. Langstrecker erschien wie mit Entschlusskraft und Tatendrang aufgeladen, und als er sich Traumjäger näherte, zuckte dieser unwillkürlich zurück. Langstrecker streckte jedoch lediglich seine Pfote aus und berührte damit Frittis Stirn. »Willkommen, Jäger«, sagte er. Dann wandte er sich ab und eilte davon. Am Rand des gegenüberliegenden Dickichts hielt er kurz an und rief: »Mögest du Glück beim Tanzen haben, junger Traumjäger.« Mit diesen Worten verschwand Langstrecker im Unterholz.
Fritti Traumjäger sank voller Staunen zu Boden. War dies alles wirklich geschehen? Er war kaum einen Tag von zu Hause fort, und doch kam es ihm wie eine Ewigkeit vor. Dies alles war so unwirklich!
Er hob sein Hinterbein und begann sich hinter dem Ohr zu kratzen – er musste den widersprüchlichsten Empfindungen, die sich mischten, Luft machen. Während er ungestüm und mit halb geschlossenen Augen kratzte, nahm er ringsum Bewegung wahr. Beunruhigt sprang er auf.
Die Bäume in der Umgebung waren voll von Eichhörnchen, die mit ihren Schwänzen schlugen.
Eines der größeren – nicht dasjenige, mit dem er vorhin gesprochen hatte – kletterte am Stamm einer Ulme hinunter, bis es mit Frittis Auge auf gleicher Höhe war. Dort hing es am Baum und blickte ihn an.
»Du, du Katzen-Ding«, sagte es. »Nun komm, komm mit. Nun sprechen, sprechen. Zeit, mit Herrn Schnapp zu sprechen.«
5. KAPITEL
Die Schwierigkeit des Denkens am Ende des Tags,
Wenn der gestaltlose Schatten die Sonne verhüllt
Und nichts geblieben ist, außer dem Schatten
Auf deinem Fell …
Wallace Stevens
F ritti kletterte hoch hinauf in die Baumwipfel. Das Eichhörnchen, das ihn zum Mitkommen aufgefordert hatte, hockte einige Zweige über ihm und wies ihm den Weg.
Hinter ihm und ringsum hüpfte die übrige Eichhörnchensippe umher und schnatterte in ihrer eigenen Sprache. Es kam ihm vor, als sei er schon tagelang geklettert.
In den schwindelnd hohen Bereichen der großen immergrünen Eiche machte die Schar einen Augenblick halt. Fritti hockte auf einem nicht gerade breiten Zweig und wartete, dass er wieder zu Atem kam. Wie alle Katzen war er ein guter Kletterer, aber an Gewicht übertraf er seine Eichhörnchen-Gefährten um ein Vielfaches. Er musste sich fester anklammern und besser das Gleichgewicht halten als sie, besonders hier oben, wo die Zweige dünner wurden. Zuweilen hatte ein Ästchen beängstigend unter ihm geschwankt, und er hatte rasch auf ein kräftigeres klettern müssen.
In einer der letzten Baumgabelungen hielten sie an. Zahlreiche starke Äste gingen hier vom Stamm der Eiche aus. Sie waren so hoch geklettert, dass Fritti durch die überlappenden Zweige die Erde nicht mehr sehen konnte. Die Schar, die ihnbegleitet hatte, vermehrt durch zahlreiche andere
Rikschikschik
, beobachtete ihn aus sicherer Entfernung und verwunderte sich keckernd über den Anblick einer Katze im Baum
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