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Traumjaeger und Goldpfote

Traumjaeger und Goldpfote

Titel: Traumjaeger und Goldpfote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Sonnenfells getrennt. Mein Vater war Dünnbart, einer der Älteren der Wald-Licht-Sippe. Er war ein geachteter Jäger, und ich hatte viele Brüder und Schwestern.
    Als ich eine junge
Fela
war, verachtete ich die jungen Kater unseres Stammes – sie waren unverschämt und selbstzufrieden. Als ich in meine Reifezeit kam, hielt ich mich bewusst vom Stamm fern, damit meine Natur mich nicht dazu verführen konnte, Junge auszutragen, die ich noch nicht wollte. Ich fand, dass ich Freude daran hatte, mein eigenes Leben zu leben und das einsame Dasein einer Jägerin zu führen.
    Ich unternahm ausgedehnte Streifzüge, gewöhnlich allein. Zuweilen nahm ich meinen kleinen Nestbruder Schnüffelschneuz mit. Er war einer der wenigen aus dem Wald-Licht-Volk, an dessen Gesellschaft mir etwas lag.« Dachschatten hielt inne und schaute einen Augenblick lang hinauf in die luftigen Höhen des Waldes. Als sie ihren Blick wieder auf Fritti richtete, war ihr Gesicht so beherrscht wie zuvor.
    »Dünnbart, der mich aufzog, fragte mich manchmal im Scherz, ob ich überhaupt eine
Fela
sei oder eher ein kleiner, schlanker Kater. Ich glaube trotzdem, dass er stolz war. Ich konnte genauso gut jagen wie alle anderen jungen Kater – und ich brüstete mich viel weniger damit. Eines Morgens hatte ich beschlossen, einen Streifzug zu unternehmen. Ich fragte den kleinen Schnüffelschneuz, ob er mich begleiten wolle, doch er fühlte sich nicht wohl. Er fragte mich, ob ich nicht bleiben und ihm in der Nähe des Nestes Gesellschaft leisten wolle, jedoch der Morgen duftete so verführerisch, und in meinen Barthaaren spürte ich das Kitzeln neuer, aufregender Dinge. Ich ließ ihn allein und zog auf eigene Pfote los.
    Ich will euch nicht mit einer langen Geschichte langweilen. Ich kehrte wohlbehalten nach der Tiefsten Stille zurück – und fand ein so entsetzliches Bild vor, dass ich es kaum fassen konnte: Die meisten meines Stammes waren tot, in Stücke gerissen, als habe eine Horde von
Fik’az
sie angegriffen. Schnüffelschneuz war unter den Toten. Keine Meute von Hunden hätte es je geschafft, den ganzen Wald-Licht-Stamm durch einen überraschendenAngriff zu überwältigen. Jene, deren Leichname nicht im Wald verstreut lagen, waren spurlos verschwunden. Dünnbart war einer davon. Viele Tage lang war ich so wahnsinnig wie ein
Fla-fa’az
, der vergiftete Beeren gefressen hat. Als meine Träume wieder hell geworden waren, kam ich durch den Wald nach Erstheim. Lange wartete ich auf eine Audienz, und als man mich vorließ, sagte man mir, die rauflustigen
Garrin
, die Liebhaber des Honigs, hätten meine Sippe vernichtet. Ich weiß es besser.
    Als ich dich und Raschkralle sah, wusste ich, dass sich unsere Wege aus einem bestimmten Grund gekreuzt hatten. Raschkralle hat viel Ähnlichkeit mit meinem Bruder Schnüffelschneuz, und er ist nun mein Freund. Und du, Traumjäger – ich weiß nicht, warum, aber auch zu dir fühle ich mich hingezogen.« Als sie dies sagte, wandte Dachschatten die Augen ab. »Wie auch immer, jetzt kennt ihr meinen Kummer, und nun, denke ich, versteht ihr auch, was ich will. Lasst uns zusammen gehen.«
    Sie schwiegen lange, ehe Fritti sich an Raschkralle wandte.
    »Hast du das alles gewusst?«, fragte er schwach.
    »Einiges«, antwortete das Kätzchen. »Aber nicht alles. Warum geschehen so furchtbare Dinge, Traumjäger?«
    »Ich kann’s nicht sagen, Raschkralle.«
    Dachschatten blickte auf. Die Feuer, die während ihrer Erzählung in ihren Augen aufgeleuchtet hatten, waren erloschen. Sie sah beherrscht und müde aus.
    »Am besten, wir brechen bald auf, oder wir werden es überhaupt nicht mehr tun«, sagte sie bestimmt. »In diesem Teil unserer Felder schlägt der Winter grausam zu.«
    Über ihnen fuhr der Wind mit einem mächtigen Pfeifen durch die Äste – es war wie eine Antwort auf ihre Worte.

16. KAPITEL
    Das ferne Licht zittert über den Seen,
    Und prachtvoll springt der wilde Wasserfall.
    Blast, Hörner, wilder vom Verderben,
    Und der Widerhall sagt: sterben, sterben.
     
    Alfred Lord Tennyson
     
    D er Schnee flatterte und wirbelte durch die baumgesäumten Seitenwege des Wurzelwaldes. Fast geräuschlos zog eine Gruppe von Katzen, darunter Fritti und seine Gefährten, in lockerer Ordnung durch die Bäume. Hinter ihnen füllten sich ihre verstreuten Pfotenspuren mit pulvrigem Schnee.
    Zaungänger und der Trupp der von ihm Einberufenen war auf dem Wege zum Nordrand von Erstheim. Knarrer begleitete sie bis zum Waldrand, wo er sich

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