Traumjaeger und Goldpfote
hält.
Zaungänger sah hoch, und sein Maul dampfte von Eichhörnchenblut. »Was ist los, Traumjäger, alter Junge, worauf wartest du?«, fragte er.
»Es ist zu schwierig zu erklären, o Prinz. Ich fühle mich durch dein freundliches Angebot geehrt, aber ich kann jetzt einfach nicht fressen.« Frittis Entschiedenheit schien stärker zu sein als sein Hunger, doch er hatte das unangenehme Gefühl, sie werde nicht von langer Dauer sein. Er entfernte sich von seinen Gefährten.
»Na schön, jeder muss sein Fell selbst lecken, sage ich immer«, murmelte Zaungänger philosophisch und wandte sich erneut dem rasch schrumpfenden
Rikschikschik
zu.
Später, nachdem alle Jäger zurückgekehrt waren, versammelte sich die ganze Schar und ließ sich, dicht an dicht, in einem Kreis nieder, die Rücken gegen den Wind, der sogar durch dieses gut geschützte Gehölz pfiff. Abwechselnd prahlten sie mit ihren Taten oder erzählten Geschichten. Viele aus dem Volk, die Zaungänger aus Erstheim mitgenommen hatte, erwiesen sich als sehr geschickte Sänger und Geschichtenerzähler. »Aller Wahrscheinlichkeit nach sind sie bessere Geschichtenerzähler als Kämpfer«, murmelte Knarrer Reibepelz zu, dem einzigen Erst-Geher, der ihn auf seiner Reise zum Hof begleitet hatte.
Nach einer Weile erhob sich der junge Schnappmaul – nachdem seine Kameraden ihn ausgiebig gedrängt hatten – und begann zu tanzen. Er hüpfte und krümmte sich, glitt auf seinem Bauch dahin, dann sprang er in die Luft, als werde er an seiner schwarzen Nase in den Himmel emporgezogen. Zeitweise bewegte sich bloß sein Schwanz und beschrieb merkwürdige und übermütige Kurven, während Schnappmaul stocksteif und mit einem Ausdruck äußerster Konzentration auf dem Gesicht dastand.
Die Gesellschaft kreischte vor Vergnügen, als er fertig war. Überaus erhitzt rannte er fort, um sich in einer kleinen Schneewehe zu wälzen.
Knarrer – dem gegen seinen Willen Schnappmauls Tanz gefallen hatte – erhob und streckte sich. Eine der Katzen aus Erstheim forderte ihn auf, eine Geschichte zum Besten zu geben. Die anderen pflichteten bei und verlangten eine Geschichte von ihm.
»Gut, gut«, sagte der Lehnsmann und schloss einen Moment die Augen, um nachzudenken, »ich werde euch eine Geschichte erzählen. Nehmt es mir nicht übel, wenn ich euch sage, dass wir Erst-Geher Geschichten bevorzugen, die ein bisschen weniger Pelz und ein bisschen mehr Knochen aufweisen.«
Knarrer öffnete seine Augen, schüttelte seinen narbenbedeckten, struppigen Leib und ließ sich auf seine Hinterbacken nieder.
»Was euer hochgeschätzter Prinzgemahl, Taupfote, über Neunvögel und seine missgestalteten Nachkommen sagte, hat mich an etwas erinnert. Wisst ihr eigentlich, wie es sich zutrug, dass die
M’an
, die Diener, und die
Az-iri’le
, das Volk, sich zum ersten Mal entzweiten? Es ist eine alte Geschichte – doch bei Hofe, ich könnte schwören, wird sie nicht oft erzählt.«
Keiner außer Zaungänger und einer oder zwei der älteren Katzen hatte je von dieser Geschichte gehört. Der Prinz sagte, er könnte sich an den Inhalt der Geschichte nicht erinnern.
»Nun, wir Erst-Geher hingegen haben es uns zur Gewohnheit gemacht, uns solcher Dinge zu erinnern«, sagte Knarrer mit einem flüchtigen Lächeln. Dann begann er mit eintöniger Stimme zu singen:
In die Wildnis,
Immer tiefer und tiefer,
Zog Fürst Feuertatze,
Einsam und heimatlos …
Viele, viele Jahre,
Fern von Erstheim,
War er umhergestreift,
Immer auf der Suche …
In den Ödlanden,
Unter fremden Himmeln,
Wohin das Volk
Nie gewandert war.
Nach einer Pause begann der Lehnsmann seine Erzählung.
»In der Zeit von Prinz Starktatze, unter der langen und glücklichen Regierung der Königin Kräuselpelz, jagte unser Fürst Feuertatze in den entlegensten Bezirken des Südlichen Wurzelwaldes. Viele Winter hatte er in der Wildnis zugebracht und viele Jahreszeiten vorübergehen sehen, ohne jemanden aus dem Volk zu Gesicht zu bekommen. Er hatte die
Visl
gehetzt, mit den mächtigen
Garrin
gerungen und die flinken
Praere
gejagt. Er vermisste den Umgang mit seinesgleichen, doch er hatte gelobt, erst dann an den Hof seines Vaters zurückzukehren, wenn Viror Windweiß gerächt war.
Eines sonnendurchwirkten Nachmittags stieß Fürst Tangalur Feuertatze auf eine andere Katze, die am Saum des Wurzelwaldes entlangspazierte – die schönste Katze des Volks, die er je erblickt hatte.
Ein Schweif wie Sommer,
Freundlich
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