Traumjaeger und Goldpfote

nicht mal ohne Erlaubnis ihr Geschäft verrichten.«
    »Und du meinst, dass es noch andere gibt? Andere Kreaturen?« Fritti dachte an die schattenhafte Knochengarde und schüttelte sich nervös.
    »Heißblut und seine Zahngarde«, wisperte Springhoch mit bebender Stimme. Er hustete.
    »Sie sind schlimm, das ist sicher«, stimmte Greiftatz zu. »Sie sind noch bösartiger – und unnatürlicher, wenn du weißt, was ich meine – als die Krallenwächter. Scheinen bloß umherzuschleichen und jedermann in Schach zu halten. Sogar die meisten der Krallenwächter scheinen vor ihnen Angst zu haben.«
    Traumjäger war verwirrt. »Aber wo kommen sie alle her? Ich habe noch nie ein Volk wie sie gesehen oder von ihm gehört.«
    Springhoch schüttelte den Kopf, und Greiftatz erwiderte: »Niemand hat von ihm gehört. Niemand weiß etwas. Aber du weißt, wer …« Die kleine Katze senkte die Stimme und blickte sich ängstlich um. »Du weißt doch, wer alles fertigbringen kann. Dass Volk und Heuler sich paaren, zum Beispiel. Schlimmere Dinge als die, die sich hier unten ereignet habe, oder? …« Greiftatz verstummte bedeutsam. Dieser unausgesprochene Hinweis auf Kaltherz, dessen Gegenwart immer noch drohend und furchteinflößend in seiner Erinnerung nistete, entmutigte Fritti, und er stand auf und streckte sich. Er ging zum Eingang ihres Verlieses und blickte in den Tunnel.
    »Aber warum diese Tunnelgraberei?«, fragte er sich laut. Hinter ihm hob sich Springhoch auf die Vorderbeine und schwankte gebrechlich hin und her.
    »Katzen sind nicht dazu bestimmt, zu graben«, sagte er mit überraschend kräftiger Stimme. »Ohrenspitz getötet, Bachhüpfer getötet.« Springhoch schüttelte traurig seinen Kopf.
    Er sieht greisenhafter aus als der alte Leckschnüff, dachte Fritti. Wie ist es dahin gekommen? Er ist kaum älter als ich.
    »Müssen immerfort graben … oder besser,
wir
müssen es tun«, sagte Greiftatz. »Man sollte glauben, sie hätten mittlerweile genügend von ihren ekelhaften Tunneln.«
    »Warum also?«, beharrte Traumjäger.
    »Ich weiß es nicht«, gab Greiftatz zu, »wenn sie aber so weitergraben, wie sie es bis jetzt getan haben, werden sich bald alle Gänge vereinigen. Die ganze Welt wird in ihre Löcher stürzen.«
    »Bachhüpfer haben sie getötet …«, murmelte Springhoch. »Und sie werden mich töten …«

21. KAPITEL
    Durch Lüfte hört ich ohne Sternenlicht
    Viel Seufzer, Klagen und viel Jammerweise,
    Dass Tränen rollten über mein Gesicht.
     
    Es stöhnt’ und lallt’ gar fürchterlich im Kreise,
    Den Klatschen, Stimmgewirr, Geschrei durchschwirrt’,
    Und Weh- und Wutgeheul, bald laut, bald leise.
     
    Im Aufruhr, welcher endlos und verwirrt
    Die Luft umkreist in zeitlos schwarzen Landen,
    Dem Sande gleich, der umgewirbelt wird.
     
    Dante Alighieri
     
    N ach einer langen Zeit, in der Fritti keinen Schlaf fand, kamen einige Krallenwächter zum Eingang der Gefängniszelle und riefen die Gefangenen zur Arbeit heraus. Jammernd und zeternd kletterten sie einer nach dem anderen den steilen Schacht hinauf. Fritti sah überrascht, dass viele Katzen sich überhaupt noch rühren konnten, ja sogar den anstrengenden Aufstieg bewältigten. Greiftatz erzählte ihm jedoch, dass niemand Futter bekam, der nicht herausklettern konnte. Diejenigen, die den Aufstieg nicht mehr schafften, blieben in der kleinen Höhle zurück, bis sie starben. Mit Hilfe von Traumjäger und Greiftatz gelang es Springhoch, sich mühsam bis zum Höhleneingang hinaufzuziehen. Oben angekommen, schlangen alle hastig einige Insekten und Maden herunter, dann ließen die wartenden Krallenwächter sie in einer langen Reihe antretenund trieben sie durch eine scheinbar endlose Reihe von Gängen.
    Sie wurden Narbenmaul übergeben, einem schwergewichtigen Krallenwächter, dessen fleckiges, spärliches Fell an seinem muskulösen Körper klebte. Er schickte die Gefangenen in Gruppen zu drei oder vier Katzen in ein Gewirr kurzer Gänge, die von der unterirdischen Mittelkammer ausgingen. Traumjäger wurden zwei ältere Katzen beigesellt, die so gebrechlich und abgestumpft waren, dass sie nicht mehr genug Kraft für eine Unterhaltung hatten.
    Als sie am Eingang des für sie vorgesehenen Tunnels angelangt waren, drehte Fritti sich um, und ohne sich an eine bestimmte Person zu wenden, fragte er: »Aber was sollen wir hier?« Narbenmaul wirbelte herum und versetzte Fritti mit seiner Tatze einen Schlag. Wie von einem Dreschflegel getroffen, krachte Fritti zu