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Traumkristalle

Traumkristalle

Titel: Traumkristalle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurd Laßwitz
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den Gedanken sich zu trennen, daß eine Auflehnung gegen diese Verkörperung des Zeitgeistes ein Vergehen sei, daß eine Abweichung von der allgemeinen Sitte seine eigene Verurteilung herbeiführen müsse. Und doch mußte er sich sagen, daß der Ausspruch der öffentlichen Meinung, so vernichtend er für den Betroffenen war, in diesem besonderen Falle ihm nicht genügen konnte.
    Was hatte die öffentliche Meinung an Aromasia oder gar an Magnet zu verdammen? Doch nur ihren ungerechten Angriff und die persönliche Beleidigung gegen Oxygen. Aber der Begriff einer solchen rein äußerlichen Verletzung des Selbstgefühls wurde nicht zu hoch angeschlagen. Aromasia wäre vielleicht genötigt worden, auf einige Wochen sich zurückzuziehen, die Stadt zu meiden – wenn sie zurückkehrte, so konnte sie gewiß sein, daß der Auftritt vergessen und gesühnt sei, daß sie mit dem früheren Jubel wieder aufgenommen und in alter Weise verehrt werde. Und Magnet – er hatte noch den Milderungsgrund, daß er der beleidigten Aromasia sich nur angenommen, daß er nur um ihretwillen in den Streit sich gemischt habe.
    Aber daß Oxygen Aromasia liebte, daß er in dieser Liebe gekränkt und seine schönste Hoffnung ihm vernichtet war, die Hoffnung und das Vertrauen auf die milde, verzeihende Gemütsart seiner Braut, daß Magnet sicherlich die Schuld trug an diesem Wechsel ihrer Gesinnung, daß dieser Mensch Aussicht hatte, ihm von der Geliebten vorgezogen zu werden – das waren Anklagegründe, welche die öffentliche Meinung bei ihrem Urteil nicht in Betracht ziehen konnte, nicht einmal sollte. Dazu aber kam, was sich Oxygen selbst nicht recht eingestehen wollte, als ein wichtiges Motiv seines Rachegefühls die Verstimmung über die Enttäuschung, welche seine heiligste, wissenschaftliche Überzeugung erlitten hatte. Auf die Leidenschaftslosigkeit der Menschen hatte er gebaut, und hier hatte er sein Spiel völlig verloren. Das erregte seinen Ingrimm. „Nein“, dachte er, „jenes Gericht der öffentlichen Meinung ist gut und weise – unter den vorliegenden Verhältnissen jedoch vermag es mich nicht zu befriedigen. Es gibt kein Gesetz, das in meinem Falle maßgebend und versöhnend sein könne. Wie glücklich wart ihr doch, Männer vergangener Jahrhunderte! Wenn euch eine Beleidigung zustieß, welche durch das Prozeßverfahren der Gerichte für euer Gefühl nicht gesühnt werden konnte, so stand euch ein ausreichender Weg immer noch offen. Mit eurem eigenen Leben fordert ihr das des Gegners heraus. Wenn die Gerechtigkeit für euch die Waage nicht ins Gleichgewicht zu bringen vermochte, so bot euch der Zweikampf das letzte Mittel, eure eigene Persönlichkeit in die Schale zu werfen, und ihr wäret gerächt oder vernichtet. Ich wünschte, ich wäre an eurer Stelle! Heute? Wenn ich an jenen Gebrauch dächte, ich würde ein Gegenstand des Gelächters oder der Verachtung, wenn man nicht vorzöge, mich nach Sokotra, der großen Irren-Insel, zu bringen.
    Was also bleibt mir übrig als die Rache, welche ich mir selbst nehme. Gut, du hast den Zweikampf mit den Waffen des Geistes begonnen, ich werde mit den Waffen des Geistes ihn fortsetzen! Aber erlaube, daß ich diejenigen wähle, welche mir so geläufig sind wie dir die deinen, Remert-Oberton. Du hast deine Reimkunst ins Gefecht geführt – heraus denn, meine zaubermächtige Dienerin, Chemie!
    Es wird gelingen! Ich kenne seinen Platz genau – er ist dicht hinter der Rückwand des großen Ododion –, hier muß der volle Strom ihn treffen“, er murmelte eine chemische Formel, „das genügt! Und Aromasia wird die Lust verlieren, ihre Geruchskünste weiter fortzusetzen. So muß es gehen! Das Publikum freilich – aber was kümmert mich das?“
    Oxygen eilte in das Privat-Laboratorium seiner Fabrik.
    „Sind die Ododion-Einsätze für Fräulein Duftemann schon abgeholt?“ fragte er.
    „Nein“, war die Antwort.
    „Es ist gut“, sagte er. „Fräulein Duftemann wünscht eine schärfere Stimmung. – Sie können gehen, Äthyl, ich brauche keine Hilfe, ich werde die Änderung selbst vornehmen.“
    Oxygen war allein und arbeitete mit Eifer an dem Inhalt der Füllbüchsen. Von Zeit zu Zeit trat er in ein sonst von ihm sorgfältig verschlossen gehaltenes Nebenkabinett, wo außer einigen kostbaren und gefährlichen Präparaten ein eigentümlicher, geheimnisvoller Apparat sich befand. Auch mit diesem machte er sich zu schaffen.
    „Für alle Fälle!“ murmelte er bei sich.
    Eine durchsichtige

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