Traumkristalle
noch im Gebäude sein.
„Sie ist verbrannt“, schrie Magnet mit der Stimme des Verzweifelnden. „Sie muß verbrannt sein – es war unmöglich, die Ohnmächtige zu retten. Doch vielleicht ist noch Hoffnung – hinein ins Odoratorium!“
Die Rettungsmänner versuchten in ihren feuersicheren Anzügen das glühendheiße Gebäude zu betreten. Ihnen zuvor kam ein Fremder; ein Mann, der in seinem gegen jede Wärme undurchdringlichen Feuerwams nicht zu erkennen war, brach sich Bahn in den mit Trümmern gefüllten Saal. Aber während noch die Rettungsleute im Saale aufräumten, erschien er schon wieder oben auf der äußeren Galerie, welche das ganze Odoratorium-Gebäude nach der Stadt zu umgab. Auf der östlichen Seite bemerkte man einen Luftmotor, den einige für den des Warm-Blasius hielten. Neben demselben schien noch ein kugelförmiger Apparat sich zu befinden, doch konnte man denselben nur undeutlich erkennen, er schien von einer durchsichtigen Materie zu sein. Jetzt beschäftigte sich der Unbekannte mit demselben – er stieg hinein, er öffnete einen Hahn. Gespannt schaute man auf sein Beginnen. Da richtete der Fremde sich auf und rief mit lauter, durchdringender Stimme hinunter zu der Menge:
„Vernehmt die Trauerkunde! Aromasia ist verbrannt. Suchet nicht nach ihrem Mörder – nicht die Erde, nicht die Sonnen haben noch Gewalt über ihn.“
Der so gerufen hatte, bückte sich und drehte eine Handhabe. Eine Kugel schloß sich um ihn, sie begann zu leuchten – in demselben Augenblick aber flog auch die Kugel, ohne einen sichtbaren Anstoß erhalten zu haben, mit rapider Geschwindigkeit von der Galerie des Odoratoriums in die Nacht hinaus.
IV INS ALL VERBANNT
Oxygen hatte, am Fenster des Odoratoriums mit seinem Luftmotor haltend, die Katastrophe beobachtet, deren schrecklichen Ausgang er nicht gewollt hatte. Magnet sollte durch einen wohlberechneten Gasstrom bläulich angehaucht werden, eine Farbe, die er mehrere Monate behalten hätte, und Aromasia sollte durch die Enttäuschung ihrer Nase und den Zorn des Publikums das Geruchsklavier gründlich verleidet werden. Beides war vereitelt worden.
Im Augenblicke, als die Detonation eintrat, durchzuckte Oxygen das Bewußtsein seiner Tat. Die Folgen seines Beginnens standen vor seiner erschreckten Seele. Aromasia vernichtet! Mit ihr vielleicht noch Hunderte von Menschen! Und durch seine Schuld! Ein tiefer Schmerz überkam ihn, aber Oxygen verlor nicht seine Besinnung. Er mußte retten, was in seiner Kraft stand. Er eilte nach Hause, um seinen feuerfesten Anzug zu holen und für alle Fälle …
In die wenigen Augenblicke, deren er bedurfte, um nach seiner Wohnung zu fliegen, das Rettungswams umzuwerfen und samt seinem geheimnisvollen Apparate auf dem Dache des Odoratoriums zu erscheinen, drängte sich eine solche Fülle von Empfindungen, Überlegungen, Schlüssen und Entwürfen zusammen, wie nur ein so bevorzugter Geist jener vorgeschrittenen Zeit so rasch sie bewältigen konnte. Wenn Aromasia wirklich durch ihn vernichtet war – das Liebste, was ihn neben seiner Wissenschaft ans Leben fesselte? Wenn er sich selbst ihrer Ermordung anklagen mußte? Was war die nächste, äußerliche Folge? Daß seine Unvorsichtigkeit das Unglück herbeigeführt habe, konnte nicht verborgen bleiben. Auch lag es ihm fern, seine Schuld verheimlichen zu wollen. Das Fachgericht mußte ihn schuldig finden der vorsätzlichen Beschädigung von Privateigentum, der versuchten Körperverletzung und der fahrlässigen Tötung von fünf Personen. Er konnte auf zwei bis drei Monate Einzelhaft rechnen, und die öffentliche Meinung mochte das Urteil durch eine mehrjährige Verbannung verschärfen. Und wenn die Zeit vorüber war? Wohl mußte er seine gesetzmäßige Strafe und ihre Ableistung, seiner Auffassung und der seiner Zeit nach, als eine vollständige Sühne für alles Geschehene auffassen. Kein Tadel mehr haftete an ihm. Aber konnte er sich selbst damit zufriedengeben? Konnte er je die Schuld büßen, die er vor seinem Gewissen auf sich geladen, dadurch, daß er Aromasia der schrecklichen Gefahr aussetzte allein um der Befriedigung seiner Wünsche willen? Und konnte er je den Verlust verschmerzen, der ihm selbst als die grausamste Strafe zugefallen war, den Verlust der Geliebten?
Ja, sie war grausam, allzu grausam, diese Strafe! Was hatte er denn getan, um solches Elend zu verdienen? Was jeder andere getan hätte, der, gereizt wie er, die Mittel der Vergeltung besessen. Hatte er
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