Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Traumkristalle

Traumkristalle

Titel: Traumkristalle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurd Laßwitz
Vom Netzwerk:
Türöffnung und schlag’ meine Kapuze in die Höhe – und nun geht die Beschwörung los. Auf einmal zwackt mich der Übermut, ich denke, hast du nicht irgend was da, was als Nagel gelten kann? Ich such’ in der Tasche und richtig, da find’ ich noch ein paar Messingstifte. Na, und so weiter.
    Nun der Schreck, als ich Sie erkannte, wie Sie den Berg ’runterrannten. Ich fürchte, der Mann verliert den Kopf und verpaßt den Dienst, und ich denke an die Strecke. Also ich nach. Aber ich kann Sie nicht finden. Ich gucke in Ihre Bude, Sie sind nicht da. Nun fällt mir die Weiche ein. Ich laufe die Strecke entlang. Da seh’ ich, die Laterne brennt nicht. Sie hatte vorher gebrannt, ich hab’s deutlich von oben gesehen. Ich mache mich also daran – und, Gott sei Dank, ich wurde noch fertig. Aber wo haben Sie denn gesteckt –?“
    „Mich hatten sie gebunden, und ich kam frei – durch den Nagel – Aber – Herr Baumeister – wenn das so war, mit dem Wunsche, so ein Zufall – daß ich von selbst frei kam, daß der Zug durch die Raupen fuhr, wenn das gar nicht die goldnen Nägel machten, so war’s am Ende auch gar nicht der Otto –“
    Der Wärter starrte leichenblaß auf den Baumeister, der ihn fragend ansah.
    „So ist der Otto gar nicht zurückgekommen?“ schrie der Wärter und blieb stehen.
    „Der Otto, der Otto!“ rief eine Stimme. „Wo bleibst de denn, Paul?“
    Die Frau des Wärters kam von der Bude hergehinkt.
    „Ich hab’s schon gemerkt, du warst oben. Der Otto war im Zuge – ich hab’ ihn deutlich erkannt – er fuhr ganz langsam vorbei – er hat mich gesehn – es war der Otto! der Otto!“

 
Der Schirm
     
    Es war eine Berghalde. Viel Wurzelstöcke dorrten darauf, und roter Fingerhut wuchs über Steingeröll, und die Sonne brannte um Mittag. Am Waldrand grünte die Buche mit breiten Ästen; nur wenige Strahlen drangen hindurch, die fielen auf den ausgespannten Schirm, der am Boden stand.
    Auf dem untersten Ast lag die goldäugige Elfe, angeschmiegt mit weißen Armen, und ärgerte sich. Denn sie konnte nicht sehen, was unter dem Schirm war; es mußte aber jemand darunter sein, weil sie ein paar Stiefel erblickte, die hinter dem Schirm hervorragten, und Stiefel laufen nicht allein im Walde herum. Als nun alles ganz still blieb, da meinte sie, er schliefe. Und sie beugte sich weit herab und hob leise den Rand des Schirmes und schaute dahinter. Er schlief aber nicht, sondern sah gerade über sich mit großen Augen in seinen eigenen, weiten, blitzblauen Welthimmel, denn den führte er immer bei sich und konnte ihn aufspannen, wo er wollte; das war sein Schirm.
    Es wunderte ihn gar nicht, daß er jetzt der Elfe in die Goldaugen blickte. Sie aber war ein wenig überrascht und sagte:
    „Ich bitte um Entschuldigung, ich wollte nur sehen, ob es der Schatzgräber sei, der hier schlafe.“
    „Ich glaube nicht“, antwortete er.
    „Es ist mich auch lieber so“, sagte sie.
    „Das ist sehr freundlich, schöne Elfe. Aber darf ich vielleicht fragen, warum du den Schatzgräber suchtest?“
    „Ich suchte ihn eigentlich nicht, ich wollte nur sehen, ob er noch immer so dumm ist. Aber willst du den Schirm nicht fortnehmen?“
    „Vorläufig noch nicht. Ich bin nämlich etwas empfindlich gegen goldne Augen, und wenn du erlaubst, lasse ich den Schirm noch gespannt, bis ich weiß, was es mit dem Schatzgräber auf sich hat.“
    Die Elfe lachte und setzte sich auf den Ast.
    „Das ist sehr einfach“, sprach sie, „du wirst gleich sehen, daß dir die Goldaugen nicht auf den Kopf fallen werden. Und wenn sie einer haben will, so mach’ ich’s wie mit dem Schatzgräber.“
    „Und das wäre?“
    „Ich will es doch lieber nicht sagen.“
    „Das kannst du halten wie du willst, schöne Elfe, denn ich glaube dir doch kein Wort.“
    „Warum nicht?“
    „Weil ich nicht so dumm bin.“
    „So nimm den Schirm fort.“
    „Erst sprich!“
    „Ehe er Schatzgräber wurde“, sagte die Elfe, „lag er hier unter dem Baum und bat mich herabzukommen, ich hatte aber keine Lust. Nun wollte er wissen, was er tun müsse, damit ich ihm folge. Da sagte ich: Jeden Abend, ehe ich schlafen gehe, lege ich meine Augen in den großen eisernen Kasten, der auf der Halde tief unter dem roten Fingerhut vergraben ist. Wenn er sie herausgrübe, bis die Sonne aufgeht, so würde er meine Augen haben, und dann müßte ich die Seine werden. Da kam er nun und grub und hackte die ganze Nacht, und mit unsäglicher Mühe hob er die Kiste herauf im

Weitere Kostenlose Bücher