Traumkristalle
Herz in den Sonnenstrahlen, aber fest wollte es nicht werden. Wenn es an einen Kranz gekommen war und sich hineingesetzt hatte, da räusperte sich die Eule und sagte, von der Rückseite würde es sich noch schöner machen. Und wenn nun das Herz sich umdrehte, so schwankte der Kranz und es fiel wieder herab auf einen tieferen Zweig.
Das ging so eine Weile und das Herz begann schließlich zu trocknen.
Auf dem andern Baume aber, welcher eigentlich ein Strauch war, blühten rote, weiße und gelbe Rosen; sie blickten schmachtend und glühend mit süßen Frauenaugen hinauf in den Baum des Glanzes, und ihre Düfte zogen durch seine Zweige wie Frühlingsodem. Und eine junge Teerose enthüllte ihre feinen blaßgelben Blätter und sah tief hinein in das Herz des Mannes, gerade wo es die Lücke hatte. Da mußte auch das Herz hinabblicken in den Kelch der Rose, als es eben wieder eine Stufe emporsteigen sollte. Und weil es nicht aufpaßte, so verfehlte es den Zweig und fiel in den Bach.
Da war es nun gründlich naß geworden.
Der Mann zog die Stiefel aus, watete in den Bach und fischte sein Herz auf. Und nun hing er sein Herz an den Rosenstrauch.
Er hing es an die Teerose; aber ihre Blätter fielen ab, und die Rose welkte unter der Last.
Das Herz glitt vom kahlen Stengel in den offenen Kelch einer dunkelroten Blüte, und das rote Herz und die rote Rose glühten zusammen im Sonnenschein.
,Halte mich’, sprach das Herz, ‚daß ich mich wärmen kann im Glutstrom, der aus deinem purpurnen Kelche widerstrahlt.’
Die Rose freute sich des Schmuckes und freute sich des goldenen Schimmers, der vom Baume des Glanzes herüberleuchtete auf das pochende Herz. Und sie meinte, daß ihr das Herz gut stehe; und um noch besser zu sehen, wie schön sie sei mit diesem neuen Schmucke, beugte sie tief sich hinab zum Wasser des Bachs, um sich und ihr Glück zu bespiegeln.
,Es paßt zu mir in der Farbe’, sagte die Rose, ‚und so etwas hat doch keine von den andern.’ Und damit bückte sie sich so tief auf den Spiegel, daß das Herz wieder durch und durch naß wurde.
,Halte mich’, rief das Herz, ‚denn das Wasser kann ich nicht vertragen.’
Da hob sich die Rose in die Höhe und jubelte, daß das Herz noch fest hing. Wieder erglühte es in goldenem Lichte und klammerte sich an die Rose. Ein süßer Klang ertönte aus dem Herzen, daß die andern meinten, eine Nachtigall sänge unter ihnen ein frühes Lied, und alle wandten die schönen Blumenaugen nach der beneideten Nachbarin.
Die Rose aber dachte: Es ist doch etwas Prächtiges, ein Menschenherz zu besitzen, und besonders, weil Rot mich so gut kleidet. Es ist ja ein Unsinn, daß ihm das Wasser schaden soll; so ein Herz bildet sich immer etwas ein. Aber ich bin doch eben dazu da, daß Rot mir gut steht, und wenn nun einmal das Herz an mir hängt, warum soll mich nicht freuen, wie ich ansehe? Hab’ ich ihm den Platz angeboten? Hab’ ich Pflichten? Hab’ ich Rücksichten zu nehmen? Es fällt mir gar nicht ein, mich tyrannisieren zu lassen! Wozu sind denn die Herzen, wenn nicht für die Rosen? Ich will mich noch einmal im Bache spiegeln.
Die Rose neigte sich wieder hinab zum Wasser, tiefer und tiefer, und deutlich zeigte ihr der Spiegel das leuchtende Herz, wie es sich angstvoll und bebend an sie klammerte. Denn es konnte nicht anders.
Und immer tiefer beugte sie sich abwärts, bis das Herz ganz in das Wasser tauchte.
Da rissen es die Wellen von der Rose, es trieb dahin im Bache – die Rose schnellte von der Last entledigt in die Höhe, die Tropfen spritzten um sie in bunten Lichtern. Die Sonne ging unter, und die Rose schlief ein und wußte nicht, daß sie die Nachtigall nimmer wieder hören würde.
Der Mann aber tappte im Dunkeln nach seinem Herzen, und als er es glücklich gefunden zwischen einem Krebs und einer Kröte, da wischte er es säuberlich ab, trat auf die Wiese, wo die Elfen im Mondschein zu tanzen begannen, und blickte hinauf zu den Sternen, die höher waren als alle Bäume.
Da nahm er sein Herz und warf es in die Luft.
Und das Herz bekam Flügel und flog empor, höher und höher.
Der Mann aber ging zurück zur Stadt und kaufte sich einen neuen Schirm; er tat ein Gelübde, diesen neuen, festen Schirm nie wieder zu vergessen. Und das wird er auch halten.“
Als der Mann unter dem Schirme schwieg, sagte die Elfe langsam: „Und das Herz, wo kam es hin?“
„Man weiß es nicht“, antwortete der Mann.
„Um so besser“, rief die Elfe und klatschte in die
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